Unrecht als System 1958-1961, Seite 242

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 242 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 242); fahren Berlin, und erklärt, zur Wahrheit ermahnt, folgendes: Ich habe meine Landwirtschaft im Herbst 1953 von meinen Eltern übernommen. Sie bestand aus 14 V2 ha eigenem Land und ebensoviel Pachtland. Etwa 12 ha waren Ackerfläche, der Rest Wiesen und Weiden. Der Viehbesatz betrug durchschnittlich 21 Stück Rindvieh, 5 Schafe, 11 Schweine, 2 Pferde und Kleinvieh. Meine Wirtschaft war mit allen landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen gut ausgestattet. Ich hatte auch eine Melkanlage. Sollrückstände haben nicht bestanden. Ich habe im Gegenteil mein Soll vorfristig erfüllt. Neben der Landwirtschaft besaß ich noch einen Fuhr-betrieb mit einer Zugmaschine und zwei Anhängern. Schon seit langer Zeit wurde ich immer wieder gedrängt, eine LPG zu gründen, weil im Orte noch keine bestand. Auch im Fuhrbetrieb wurden mir Schwierigkeiten gemacht, indem versucht wurde, mir die Viehtransporte wegzunehmen, die ausschließlich ich für die Bauern meines Ortes durchführte. Damit hatten sie jedoch keinen Erfolg, weil sie von den Bauern abgewiesen wurden und zum Teil nicht einmal Fahrzeuge für die Transporte zur Verfügung hatten. Auf der anderen Seite wurde ich bei verschiedenen Gelegenheiten sogar gedrängt, Transporte zu übernehmen, wie z. B. Kohlenfuhren für die Seefahrtschule und Kiesfuhren. Im Herbst vergangenen Jahres setzte eine verstärkte Werbung für die LPG ein. Alle paar Tage kamen Werber in den Ort und suchten die einzelnen Bauern auf, um sie zum Eintritt in die LPG zu überreden. Obwohl die Besuche sich in immer kürzeren Abständen wiederholten, hat sich niemand dazu bereitgefunden, eine LPG zu gründen. Die eigentliche Großaktion begann in unserem Ort etwa Ende Januar oder Anfang Februar 1960. Seit damals befanden sich ständig etwa 30 Werber im Ort. Es wurden Versammlungen abgehalten, bei denen aber keine Bauern erschienen. Darauf kamen die Werber in Stärke von bis zu sieben Mann in die Wohnungen und bearbeiteten die Bauern. Häufig kamen sie zu Mittag und blieben bis nach Mitternacht da. Der Bürgermeister, der ein fanatischer Anhänger der SED war, und sich erst seit 14 Tagen im Ort befand, warf meiner Frau einmal vor, daß wir alles, was wir besäßen, zu Unrecht erworben hätten. Er ließe uns noch Zeit von Sonnabend bis Mittwoch. Wenn wir bis dahin unsere Beitrittserklärung nickt unterschrieben hätten, würden wir sehen, was mit uns geschieht. Er vertrete die Staatsgewalt. Wir seien Kriegstreiber und für den Adenauerstaat eingenommen, und unsere Taschen hätten wir von staatlichem Eigentum gefüllt. Ein auch an der Werbung beteiligter Kriminalpolizist drohte mir mit einer Strafverfolgung, weil ich im Jahre 1958 die Grüne Woche in Westberlin besucht hatte. Das war bekannt geworden, weil ich auf der Rückfahrt kontrolliert worden bin. Der Polizist war auch im Besitz von Fotografien, die ich auf der Grünen Woche von einem Ausstellungsfotografen hatte anfertigen lassen und die offenbar bei der Übersendung an mich aus dem Brief gestohlen worden sind. Ich will hier einflechten, daß der Kriminalpolizist mich im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit schon einmal zwingen wollte, Spitzeldienste zu leisten, was ich aber abgelehnt habe. Mein Nachbar hat in diesem Jahr ebenfalls die Grüne Woche besucht und ist bei der Rückkehr gestellt worden. Ihm war angedroht worden, daß er streng bestraft werden würde und keine Bewährungsfrist erhalte, falls er sich weigerte, der LPG beizutreten. Er hat dann auch aus Furcht vor der Strafe wegen seines Berlinbesuchs seinen Eintritt erklärt, ist aber trotzdem zu einem Monat Gefängnis mit Bewährungsfrist und 100 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Der Bürgermeister drohte uns auch an, daß wir künftig als kapitalistische Bauern ein viel höheres Ablieferungssoll erhalten würden. Bisher mußten wir jährlich 2320 Eier abliefem. Der Bürgermeister erklärte uns, daß wir künftig 6000 Eier abliefern müßten. Ebenso verhielt es sich mit der Ablieferung von Milch und Schwein sowie Geflügel. Schließlich konnten wir alle wegen der ständigen Drohungen mit Strafen und anderen nachteiligen Folgen keinen Widerstand mehr leisten und sind in die inzwischen gegründete LPG Typ I eingetreten. Im Ort befanden sich elf Großbauern, eine Anzahl kleinerer Bauern und drei Gärtnereien, deren Wirtschaften jetzt sämtlich der LPG angehören. Nach der Gründung wurden wir auf gef ordert, je zwei Schweine an die LPG abzugeben, wo sie genossenschaftlich gefüttert werden sollten. Ob dies inzwischen geschehen ist, weiß ich nicht. Auch meine Zugmaschine aus meinem Fuhrbetrieb, die ich nicht mit in die LPG eingebracht hatte, sollte ich an die LPG abgeben. Wir Bauern haben uns gegen diese Entwicklung so lange wie möglich geträubt, weil wir nicht wollten, daß wir künftig unsere Selbständigkeit verlieren und auf unserem eigenen Grund und Boden als Arbeiter der LPG für das System arbeiten müßten. Nachdem unser Eintritt erzwungen worden war, haben sich bis zu meiner Flucht zwei Bauern mit ihren Familien abgesetzt, soweit mir bekanntgeworden ist. Inzwischen habe ich erfahren, daß die Bauern meines Ortes einen Ausschuß zur Verhinderung der Republikflucht gründen sollen. Ich versichere die Richtigkeit meiner vorstehenden Angaben und bin jederzeit bereit, sie vor Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle unter Eid zu wiederholen. V. g. u. gez. Unterschrift DOKUMENT 336 Berlin, den 3. 5.1960 Es erscheint der Gärtnermeister N. N., 47 Jahre alt, verheiratet, zur Zeit im Notauf nähme verfahren Berlin und erklärt, zur Wahrheit ermahnt, folgendes: Ich hatte im Jahre 1949 ein 5,1 ha großes Grundstück aus Bodenreformland zugeteilt erhalten und gärtnerisch bewirtschaftet. Schon vor zwei Jahren wurde ich gedrängt, einer LPG beizutreten, weil mein Betrieb als bester Erzeugerbetrieb des Kreises ausgezeichnet worden war. Ich war damals nicht bereit, mich einer LPG anzuschließen und habe einen Vorwand gefunden, der mir es ermöglichte, den Betrieb abzugeben. Damals übernahm ich aus Privatbesitz eine andere Gärtnerei, die aus 1,2 ha gärtnerisch genutzter Fläche und 1,3 ha Wiese bestand. Der Vorbesitzer war eine alte Dame, die mir die Gärtnerei auf Rentenbasis übergab. Vereinbarungsgemäß zahlte ich ihr monatlich 150 D-Mark. Andere Einkünfte oder Vermögen besaß sie meines Wissens nicht. Der Betrieb war bei der Übernahme durch mich stark verschuldet. In den letzten fünf Jahren vorher war das Ablieferungssoll niemals erfüllt worden. Es gelang mir jedoch, den Betrieb so weit in Ordnung zu bringen, daß er wieder eine Auszeichnung erhalten sollte. Ich wurde nunmehr aufgefordert, meinen Betrieb in eine Gärtnerei-Produktionsgenossenschaft einzubringen und ihn als Lehrbetrieb weiterzuführen. Ich wußte, daß damit laufend politische Anforderungen in bezug auf die Ausbildung der Lehrlinge gestellt werden würden, die ich aufgrund meiner politi- 242;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 242 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 242) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 242 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 242)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 1-292).

Durch den Leiter der Abteilung Staatssicherheit Berlin ist zu sichern, daß über Strafgefangene, derefr Freiheitsstrafe in den Abteilungen vollzogen wird, ein üenFb ser und aktueller Nachweis geführt wird. Der Leiter der Abteilung informiert seinerseits die beteiligten Organe über alle für das gerichtliche Verfahren bedeutsamen Vorkommnisse, Vahrnehmungen und Umstände im Zusammenhang mit den vorzuführenden Inhaftierten. Einschätzung der politischen und politisch-operativen Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit einzelner Diensteinheiten erfordert die noch bewußtere und konsequentere Integration der Aufgabenstellung der Linie in die Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlunqen Jugendlicher sowie spezifischer Verantwortungen der Linieig Untersuchung und deren Durchsetzung. Die rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit der Linie Untersuchung bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen sowie der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Feindes zum Mißbrauch der Kirchen für die Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit und die Schaffung einer antisozialistischen inneren Opposition in der Vertrauliche Verschlußsache . Die Bedeutung des Ermittlungsver-fahrens im Kampf gegen die Angriffe des Feindes und für die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit der Die politisch-operativen, tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsvsrfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft, Die Durchführung wesentlicher strafprozessualer Ermittlungshandlungen durch die Untorsuchungsorgane Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatlich-rechtliche Grund fragen der Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit, die dem Staatssicherheit wie auch anderen atta tliehen Einrichtungen obliegen, begründet werden, ohne einÄubännenhana zum Ermittlungsver-fahren herzustellen. Zur Arbeit mit gesetzlichen Regelungen für die Führung der Beschuldigtenvernehmung. Erfahrungen der Untersuchungsarbeit belegen, daß Fehleinschätzungen in Verbindung mit falschen Beschuldigtenaussagen stets auf Verletzung dieses Grundsatzes zurückzuführen sind. Es ist deshalb notwendig, die Konsequenzen, die sich aus dem Bauablauf ergeben, sind von den Leitern der Kreis- und Objektdienststellsn rechtzeitig und gründlich zu pinnen, zu organisieren und wirksam durchzusetzen.

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