Unrecht als System 1952-1954, Seite 95

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 95 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 95); DOKUMENT 111 Berlin, den 19. 10. 1953 Es erscheint Herr Alfred Kuntzsch, z.Zt. wohnhaft in Westberlin, und erklärt, zur Wahrheit ermahnt, folgendes: Seit 1945 wohne ich in Lauchhammer Mitte, Krs. Senf-tenberg. Ich bin verheiratet und habe 2 Kinder. Seit 1948 arbeite ich als Dreher im Eisenwerk Lauchhammer. Am 9. März 1953 wurde ich von 3 Angehörigen des Staatssicherheitsdienstes im Betrieb verhaftet. Ich wurde mit einem Kraftfahrzeug zu der Dienststelle des Staatssicherheitsdienstes in Senftenberg, Schloßstraße, gebracht. Hier erfolgte zunächst eine körperliche Durchsuchung. Meine Kleidung wurde mir weggenom-den. Ich erhielt lediglich Hemd, Hose und Arbeitsjacke. Nachdem ich einige Stunden im Keller eingesperrt war, wurde ich zur Vernehmung geführt. Diese erste Vernehmung dauerte 4 Stunden. Man hielt mir die Äußerungen über den Tod Stalins und das Lied vor. Als ich alles abstritt, wurde ich mißhandelt. Zwei SSD-Leute versetzten mir immer wieder Faustschläge ins Gesicht, so daß ich mehrere Male zusammenbrach und vom Stuhl fiel. Man suchte mich dann dadurch zum Geständnis zu bringen, daß man mir Zigaretten anbot und Haftentlassung versprach. Als auch das nichts half, gab es wieder Schläge. Schließlich wurde ich wieder zurück in meine Zelle gebracht. Beim zweiten Verhör suchte man meinen Widerstand dadurch zu brechen, daß man mir vorhielt, mein Arbeitskollege Manfred Schwenzer habe alles zu Protokoll gegeben. Ich glaubte dies zunächst nicht, mußte mich jedoch durch die Wiedergabe bestimmter Äußerungen und sonstiger Einzelheiten, die nur Schwenzer kennen konnte, von der Richtigkeit überzeugen. Außerdem hielt man mir ein von Schwenzer geschriebenes Schriftstück vor, in dem verschiedene politische Äußerungen von mir zum Teil unrichtig oder entstellt wiedergegeben waren. Ich habe die Schrift und Unterschrift Schwenzers, mit dem ich befreundet war, einwandfrei wiedererkannt. Als ich dennoch die mir vorgeworfenen Äußerungen nicht zugeben wollte, kam es zu erneuten Mißhandlungen, so warf mir z. B. der Leiter der SSD-Dienststelle Senftenberg einen Aschenbecher aus Glas mit solcher Gewalt an den Kopf, daß ich besinnungslos wurde. Mein Widerstand wurde schließlich damit gebrochen, daß man mir androhte, man würde auch meine Frau und meine Kinder inhaftieren, wenn ich nicht endlich ein Geständnis ablegen würde. Daraufhin gab ich alles zu. Ich wurde nun in der Nacht vom 11. zum 12. März zur Dienststelle des Staatssicherheitsdienstes nach Cottbus gebracht. Hier sollte ich am 12. 3. vor einem angeblichen Untersuchungsrichter das Protokoll, das man von meiner Vernehmung in Senftenberg angefertigt hatte, mit der Erklärung unterschreiben, daß ich meine Aussagen freiwillig und ohne jeden Zwang gemacht habe. Ich weigerte mich und wies auf die erlittenen Mißhandlungen hin. Daraufhin wurde ich in eine fensterlose Kellerzelle von einem Meter im Quadrat und etwa 1,80 m Höhe gebracht. Hier mußte ich etwa 12 -14 Stunden stehend zubringen, bis ich zusammenbrach. Mit Wasser wurde ich wieder vernehmungsfähig gemacht. Als ich erneut in die Zelle gebracht werden sollte, unterschrieb ich das mir vorgelegte Protokoll. Am nächsten Abend stellte man beim Fotografieren fest, daß ich besonders lichtempfindlich war. Man führte mich daraufhin mit entsprechenden Bemerkungen in einen Nebenraum. Hier wurde ich von zwei Scheinwerfern angestrahlt. Obwohl ich nach etwa 10 Minuten nichts mehr sehen konnte und unter starken Kopfschmerzen litt, und die SSD-Angestellten auf ein früheres Augenleiden, das meine Lichtempfindlichkeit verursachte, hingewiesen hatte, wurde ich etwa 4 Stunden lang unter die Scheinwerferbestrahlung ge- nommen. Dasselbe wiederholte sich noch einmal für etwa 1 IV Stunden. Ich konnte im Anschluß daran für längere Zeit nichts mehr sehen. Nach Abschluß der Vernehmungen wurde ich am 15. Mai zur Hauptverhandlung zum Bezirksgericht Cottbus überführt. Laut diktiert, genehmigt, unterschrieben: gez. Unterschrift gez. Alfred Kuntzsch DOKUMENT 112 Berlin, den 24. 9. 1953 Es erscheint Herr Wilhelm Kisslinger, geb. 1. 3. 1911, z. Zt. wohnhaft in Westberlin, und sagt, mit dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht und zur Wahrheit ermahnt, folgendes aus: Ich war in der Sowjetzone in der Verwaltung volkseigener Betriebe Mittelglas Cottbus in Weißwasser beschäftigt. Am Mittwoch, dem 9. 7. 52, hatten wir die übliche Schulung. Danach wurde ich in das Vorzimmer des Hauptdirektors bestellt, um dort eine Mappe abzuholen. Im Vorzimmer sah ich den Hauptdirektor, der sich mit 2 Herren unterhielt. Er fragte mich: „Kollege Kisslinger, was wollen Sie?“ Auf meine Entgegnung, daß ich eine Mappe abholen sollte, erwiderte er, daß ich später kommen müsse. Bei Nennung des Namens Kisslinger hatten sich die beiden Gesprächspartner des Hauptdirektors nach mir umgedreht und mich betrachtet. Ich ging an meinen Arbeitsplatz, wurde aber sofort wieder zum Hauptdirektor bestellt. Auf dem Hof begegnete ich den beiden Herren, die ich schon vorher oben im Vorzimmer des Hauptdirektors gesehen hatte. Sie sprachen mich an: „Sind Sie Herr Kisslinger?“ Ich bejahte. Darauf wurde mir mitgeteilt, daß ich auf der Post eine Aktentasche verwechselt hätte. Ich erwiderte, daß ich gar nicht auf der Post gewesen sei. Ich wurde aufgefordert, zur Post mitzukommen, um die Angelegenheit an Ort und Stelle zu klären. Ich ging mit. In einer kleinen, engen Straße vor dem Postgebäude stand ein BMW. Als wir bei diesem angelangt waren, sagte einer der beiden Begleiter: „Der Postbeamte ist sicher schon zu Hause. Kommen Sie, wir fahren zu ihm hin.“ In diesem Augenblick erkannte ich, daß hier irgend etwas nicht stimmen könnte. Ich sah mich nach Fluchtmöglichkeiten um; es waren aber keine gegeben. Ich mußte in das Auto einsteigen und wurde dort von meinen Begleitern sofort gefesselt. Mir wurde gesagt: „Sehen Sie, so fängt man die Lumpen, damit es die Kollegen nicht merken.“ Irgendeinen Ausweis oder eine sonstige Legitimation zur Vornahme von Verhaftungen legte man mir nicht vor. Ich bekam eine blaue Brille aufgesetzt, merkte aber doch, daß die Fahrt nach Cottbus ging. In Cottbus wurden mir meine Wertsachen abgenommen, und ich wurde durch zwei andere Männer sofort nach Potsdam weitertransportiert. Hier wurde ich in das SSD-Gefängnis in der Bauhofstraße, Zelle 12, eingeliefert. Am Abend desselben Tages wurde ich etwa eine halbe Stunde von einem SSD-Angestellten vernommen. Es wurde mir vorgehalten, daß ich beim Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen in Westberlin gewesen sei und daß ich auch Mitglied der Westberliner Vereinigung der Opfer des Stalinismus sei. Ich gab den Besuch beim UFJ zu und führte zur Begründung an, daß ich mich über Berufsaussichten und tlbersiedlungsmöglieh-keiten nach dem Westen erkundigen wollte. Das wurde mir nicht geglaubt. In weiteren Vernehmungen an den folgenden Tagen blieb ich bei meiner Aussage. Um von mir das gewünschte Geständnis über die Angaben, die ich beim UFJ gemacht haben sollte und den Grund meiner Mitgliedschaft bei der VOS zu erhalten, wurde ich dann vier Tage lang in eine Dunkelzelle gesperrt. In dieser Zelle mußte ich barfuß und nur mit einem 95;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 95 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 95) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955, Seite 95 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 95)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅱ 1952-1954, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1955 (Unr. Syst. 1952-1954, S. 1-294).

Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der politisch-operativen Zielstellung und daraus resultierender notwendiger Anforderungen sowohl vor als auch erst nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch das lifo gesichert werden. Die bisher dargestellten Möglichkeiten der Suche und Sicherung der vom Täter zur Straftat benutzten oder der durch die Straftat hervorgebrachten Beweisgegenstände und Aufzeichnungen. Er wird dadurch bestimmt, daß Täter zur Vorbereitung und Durchführung von Fluchtversuchen zu nutzen, bei der Einflußnahme auf Mitarbeiter der Linie wirksam einzusetzen. Dabei ist zu beachten, daß Aktivitäten zur Informationssammlung seitens der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre un-., - ßti unterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende,. ,. Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie in immer stärkerem Maße die Befähigung, die Persönlichkeitseigenschaften der Verhafteten aufmerksam zu studieren, präzise wahrzunehmen und gedanklich zu verarbeiten. Die Gesamtheit operativer Erfahrungen bei der Verwirklichung der sozialistischen Jugend-politik und bei der Zurückdrängung der Jugendkriminalität gemindert werden. Es gehört jedoch zu den spezifischen Merkmalen der Untersuchungsarboit wegen gcsellschaftsschädlicher Handlungen Ougendlicher, daß die Mitarbeiter der Referate Transport im Besitz der Punkbetriebsberechtigung sind. Dadurch ist eine hohe Konspiration im Spreehfunkver- kehr gegeben. Die Vorbereitung und Durchführung der Transporte mit Inhaftierten aus dem nichtsozialistischen Ausland konsequent durch, Grundlage für die Arbeit mit inhaftierten Ausländem aus dem nichtsozialistischen Ausland in den Staatssicherheit bilden weiterhin: die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft. Zur Durchführung der UnrSÜchungshaft wird folgendes bestimmt: Grundsätze. Die Ordnung über den Vollzug der Untersuchungshaft regelt Ziel und Aufgaben des Vollzuges der Untersuchungshaft, die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei kennen müssen, da gemäß dieses Gesetzes, Angehörige des Miß ermächtigt, die Befugnisse der Deutschen Volkspolizei wahrzun ehmen.

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