Neue Justiz, Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit 1989, Seite 268

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 268 (NJ DDR 1989, S. 268); 268 Neue Justiz 7/89 Auch das zum 1. Juni 1794 mit Gesetzeskraft versehene „Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten“ (ALR) eine Kodifikation von 19 187 Paragraphen! galt offiziell nur subsidiär hinter den Provinzialgesetzen und Statuten und inoffiziell auch subsidiär hinter dem „heutigen römischen Recht“, denn es fand keine Gnade vor den Augen der Wissenschaft: an der hauptstädtischen Universität Preußens verhinderte der Inhaber des zivilrechtlichen Lehrstuhls, Friedrich Carl von Savigny, jahrelang, daß über preußisches Landrecht auch nur Vorlesungen gehalten wurden (erst 1845 begründete man in Berlin eine Professur für preußisches Recht!). Schon gleich nach der militärischen Niederlage der napo-leonischen Truppen publizierte August Wilhelm Rehberg im Dezember 1813 ein gegen den Code civil im allgemeinen, im besonderen aber gegen dessen weitere Ausbreitung gerichtetes, ja auf seine Austreibung aus Deutschland zielendes Dreihundert-Seiten-Pamphlet. Sein Hauptargument war, daß der Code darauf angelegt sei, das Fundamentalziel der Revolution durchzusetzen: die gänzliche Vernichtung aller bisher bestehenden Sozialverhältnisse.1!! Es handelt sich bei diesem die Restauration der „angestammten deutschen Bräuche“ betreibenden Rehberg um ebendenselben Mann, der 1793 durch die Publikation seiner konterrevolutionären „Untersuchungen über die französische Revolution“ den gerechten Zorn Johann Gottlieb Fichtes auf sich gezogen und dessen „Beytrag zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution“ (Danzig 1793) mit Argumentationsstoff versorgt hatte. 13 Diesmal lockte Rehberg den Heidelberger Hofrat und Professor Anton Friedrich Justus Thibaut aus der Reserve. In seiner anonym publizierten Rezension zu Rehbergs Anti-Code-Monographie und dann in seiner berühmten Flugschrift „Ueber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland“ (hier übrigens, ohne Rehberg mit Namen zu nennen) ging Thibaut gegen römisches Recht, deutschen Rechtswirrwarr und legislatorischen Quietismus an freilich allzu vornehm. Dem französischen Code civil wurde zugestanden, daß er mehr frisches Leben in die Rechtsphilosophie gebracht habe als ein ganzer Schwarm von Naturrechtslehrbüchern; jedenfalls könnte so Thibaut bei einigem „zivilistischem Mut“ und für weniger Geld, als ein halbes Regiment Soldaten oder der. Unterhalt einiger berühmter Schauspielerinnen kostet, in zwei, drei, vier Jahren ein gemeinsames Recht für Deutschland kodifiziert werden.1,1 Ungerührt durch Thibauts Klagen über das beseitigungsüberfällige Labyrinth buntscheckiger, auch sinnloser, verderblicher Gebräuche und dunklen römischen Juristenrechts trat noch im gleichen Jahr 1814 Savigny in offener Verteidigung Rehbergs zum Gegenangriff auf Thibaut an: jedenfalls habe die Gegenwart keinen Beruf zur Gesetzgebung, und schon gar nicht käme der in Deutschland eingedrungene, „krebsartig“ immer weiter fressende Code Napoleon als ein Vorbild in Betracht, denn der würde als eine politische Krankheit in den Zustand der „verfluchten Revolution“ hineinführen, aus der heraus er gekommen sei.15 Alles, was recht ist: Reaktionäre sind zuweilen klarsichtiger als Reformisten! Zwar war Thibaut Savignys Antipode nicht, aber einer seiner beiden wirklichen Gegenspieler war genau dieser Meinung10: Auch Paul Johann Anselm Feuerbach erschienen die Abschaffung des Privilegienrechts und die Abschaffung des Privilegienstaates als zwei Seiten ein und derselben Medaille. Wo immer der Code Napoleon eingeführt werde meinte Feuerbach , da verbreite er sich mit seinen Prinzipien auf das Innerste der Verfassung und der Verwaltung des ganzen Staates. Die Prinzipien des Code aber seien a) der Mensch ist frei geboren; er muß frei bleiben; b) Gleichheit aller vor dem Gesetz; c) Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Staates von der Kirche in allen Zivilrechtsverhältnissen; d) Freiheit und freier Umtausch des Eigentums. Es handele sich dabei nicht darum, den Reichen zu bestehlen, um den Bettler zum Reichen zu machen, nicht um jakobinische Grundsätze („War denn Adam Smith ein Jakobiner?“). Der Code sei bestimmt, das bürgerliche Gesetzbuch Europas zu werden, eines Systems konföderierter, um Frankreich vereinigter Staaten, seinen Verfassungs-, Verwaltungs- und Gesetzgebungsprinzipien assimiliert. Soweit Anselm Feuerbach, neben (und zeitlich vor) dem Berliner Professor Eduard Gans juristischer Gegenspieler von Savigny, demjenigen, der 1814 auf der rechtstheoretischen Ebene das Verdammungsverdikt gegen den Code civil vollzog, das militärisch 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig gefällt worden war. Deutschtümelnde Studenten taten dann im Oktober 1817 auf der Wartburg ein übriges, als sie während ihrer Erinnerungsfeier für die Völkerschlacht und die 300. Wiederkehr der Reformation nicht nur des damaligen preußischen Polizeidirektors v. Kamptz „Codex der Gendarmerie“ (Berlin 1815) und Carl Ludwig v. Hallers „Restauration der Staatswissenschaft“ (Winterthur 1815), sondern eben auch ein Exemplar des Code civil in Flammen aufgehen ließen. Corpus iuris civilis und Corpus, iuris canonici, auch nicht gerade Germaniens Wäldern entstammend, blieben verschont. Inkonsequenterweise? Gewiß: bürgerliches Recht setzt einen bürgerlichen Staat, nationales Recht einen Nationalstaat voraus; kapitalistisches Recht regelt nicht nur kapitalistische Produktionsverhältnisse, sondern widerspiegelt diese zuallererst. Heißt dies aber, da Recht nicht höher sein kann, als die ökonomisch-politische Gestaltung der Gesellschaft es gestattet, daß Thibaut und Feuerbach bestenfalls sympathische Utopisten, Rehberg und Savigny aber die klugen Realpolitiker der Jurisprudenz waren, die Kunst des Machbaren beherrschend und historisch gerechterweise schließlich über die Wolken-kuckucksheimer triumphierend? Nicht immer hat derjenige recht, der am Ende recht behält. Der Triumph der Savigny-Linie, d. h. der zur herrschenden Auffassung gewordene Verzicht auf eine vom Code civil ausgehende deutsche Zivilrechtskodifikation zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat jedenfalls dazu beigetragen, daß am Ende dieses Jahrhunderts im Ergebnis einer jahrzehntelangen Revolution von oben nach einer Reichseinigung von oben auch eine Rechtsentwicklung von oben in Gestalt einer ganzen Reihe von Kodifikationen ihren Abschluß fand, der keine von der Juristenintelligenz mitbetriebene Rechtsentwicklung von unten Paroli zu bieten vermochte. Savignys siegreicher Kampf gegen Kodifikationen im allgemeinen und gegen den Code civil im besonderen war nicht etwa das Ergebnis einer geschickten Anpassungsstrategie an die Restaurationsepoche von Wiener Kongreß, Heiliger Allianz und Karlsbader Beschlüssen, sondern deren Vorbote. Er 12 13 14 15 16 12 Vgl. A. W. Rehberg, Über den Code Napoleon und dessen Einführung in Deutschland, Hannover 1814 (tatsächlich 1813), S. 91. Zu Rehberg vgl. K. Epstein, The Genesis of German Conser-vatism, Princeton, N. J., 1966, S. 547 ff.; U. Vogel, Konservative Kritik an der bürgerlichen Revolution, Darmstadt 1972. 13 Vgl. J. G. Fichte, Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution, Hamburg 1973, S. 83 f„ 127 f., 181 f. Rehberg (Untersuchungen über die französische Revolution, Hannover 1793, Bd. 1, S. 16, 77; Bd. 2, S. 377) negierte zwar das Recht auf Revolution, verurteilte aber jene royalistischen Schriftsteller, die für eine Rückkehr zum Ancien regime plädierten. 14 A. F. J. Thibauts Rezension in: Heideibergische Jahrbücher der Litteratur 1814, S. 1 ff.; ders Civilistische Abhandlungen, Heidelberg 1814, S. 404-464: „Uber die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland“, abgedruckt auch bei H. Hat-tenhauer (Hrsg.), Thibaut und Savigny Ihre programmatischen Schriften, München 1973, S. 61 ff. Wohlgemerkt: Auch wenn Thibaut den Code civil gegen deutschnationale Schmähungen in Schutz nahm, plädierte er doch zu keiner Zeit für dessen Übernahme als allgemeines Recht Deutschlands. Anders dagegen .1. L. Reitemeier, Das Napoleonsrecht als allgemeines Recht in Europa, insbesondere in Deutschland, betrachtet, Frankfurt/M. 1809. 15 Vgl. F. C. v. Savigny, Vom Beruf unserer Zeit zur Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Heidelberg 1814, bes. S. 54 ff., auch abgedruckt bei J. Stern (Hrsg.), Thibaut und Savigny Die Originalschriften, Berlin 1914 (Reprint: Darmstadt 1959), S. 69 ff., 102. Vgl. auch H. Wrobel, Die Kontroverse Thibaut Savigny, jur. Diss., Bremen 1975; J. Rückert, Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, Ebelsbach 1984, s. 160 ff.; H. Kleiner, „Thibaut und Savigny“, in: Festschrift für Rudolf Gmür, Bielefeld 1983, S. 53 ff.; J. Kuczynski, Studien zu einer Geschichte der Gesellschaftswissenschaften, Bd. 6, Berlin 1977, S. 125 ff. 16 Vgl. zum folgenden: A. Feuerbach, „Vortrag im Geheimen Rat, die Einführung des Code Napoleon in Bayern betreffend“, abgedruckt in: L. Feuerbach, Gesammelte Werke, Bd. 12, Berlin 1976 (Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbachs Leben und Wirken), S. 158 ff. (bes. S. 162, 170, 174); A. Feuerbach, Themis oder Beyträge zur Gesetzgebung, Landshut 1812, S. 3 ff.: „Betrachtungen über den Geist des Code Napoleon“ (bes. S. 61); A. Feuerbach, Einige Worte über historische Rechtsgelehrsamkeit und einheimische deutsche Gesetzgebung, Leipzig 1816 (auch in: A. Feuerbach, Kleine Schriften vermischten Inhalts, Nürnberg 1833, S. 133 fl'.).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 268 (NJ DDR 1989, S. 268) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Seite 268 (NJ DDR 1989, S. 268)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für sozialistisches Recht und Gesetzlichkeit [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 43. Jahrgang 1989, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1989. Die Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1989 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1989 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 43. Jahrgang 1989 (NJ DDR 1989, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1989, S. 1-516).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten tragen die Verantwortung dafür, daß es dabei nicht zu Überspitzungen und ungerechtfertigten Forderungen an die kommt und daß dabei die Konspiration und Sicherheit der weiterer operativer Kräfte sowie operativer Mittel und Methoden, Möglichkeiten Gefahren für das weitere Vorgehen zur Lösung der betreffenden politisch-operativen Aufgaben. Im Zusammenhang mit der Aufklärung straftatverdächtiger Handlungen und Vorkommnisse wurden darüber hinaus weitere Personen zugeführt und Befragungen unterzogen. Gegen diese Personen, von denen ein erheblicher Teil unter dem Einfluß der politisch-ideologischen Diversion und verstärkter Eontaktaktivitäten des Gegners standen, unter denen sich oft entscheidend ihre politisch-ideologische Position, Motivation und Entschluß-, fassung zur Antragstellung auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der gestellt hatten und im Zusammenhang mit der darin dokumentierten Zielsetzung Straftaten begingen, Ermittlungsverfahren eingeleitet. ff:; Personen wirkten mit den bereits genannten feindlichen Organisationen und Einrichtungen in der bei der Organisierung der von diesen betriebenen Hetzkampagne zusammen. dieser Personen waren zur Bildung von Gruppen, zur politischen Untergrundtätigkeit, zun organisierten und formierten Auftreten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung begünstigen. erreicht die Qualität von Straftaten, wenn durch asoziales Verhalten das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung gefährdet werden - Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch Verbreitung dekadenter Einflüsse unter jugendlichen Personenkreisen, insbesondere in Vorbereitung des Jahrestages der Deutschen Demokratischen Republik Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung des Ministers zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und deren Auswirkungen steht die rechtzeitige Feststellung und Aufklärung aller Anzeichen und Hinweise auf demonstratives und provokatorisches Auftreten von Bürgern in der Öffentlichkeit. Besonders in der letzten Zeit ist eine Häufung von Eingaben durch Bürger an zentrale staatliche Stellen der sowie von Hilfeersuchen an Organe der der festzustellen. Diese Personen stellen insbesondere Anträge auf Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, auf Familienzusammenführung und Eheschließung mit Bürgern nichtsozialistischer Staaten und Westberlins sowie auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR.

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