Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1947, Seite 235

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 235 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 235); bewährte Regeln des menschlichen Handelns, aber sie sind keine ewigen, ursprünglichen geistigen Phänomene. Sie sind aus einer bestimmten gesellschaftlichen Situation, die letztlich durch die zur Befriedigung der Bedürfnisse vorhandenen Mittel gekennzeichnet ist, abgeleitet. In den auf ihnen beruhenden Lebensver-hältnissen haben sie als Grundsätze des Handelns ihre Grundlage. Sie sind einzuschränken oder aufzugeben, wenn sich die gegebenen Mittel grundlegend verändern. Schwere Störungen des Lebensprozesses sind das warnende Zeichen der eingetretenen Veränderung. Gewiß können und werden diese allgemeinsten Vorstellungen der Menschen über ihr richtiges Verhalten auf Grund der vorhandenen Mittel sich in verschiedenster Weise bilden. Die Rechtswissenschaft steht jedoch diesen obersten Werturteilen und Wertungssystemen nicht abhängig gegenüber. Sie darf und braucht sie nicht als gegeben vorauszusetzen und nur der „denkende Diener“ des jeweils geltenden Systems zu sein, das sie als ihren Herrn anerkennt. Sie hat einen Maßstab, um zu diesen Wertsystemen Stellung zu nehmen. Es sind die jeweils gegebenen, objektiv feststellbaren Lebensverhältnisse und die aus der Beobachtung ihres Ablaufs erkennbaren, brauchbaren Grundsätze des menschlichen Handelns. Jede einzelne Wertungsvorstellung läßt sich daraufhin prüfen, ob sie den Ablauf der vorhandenen Lebensverhältnisse fördert oder hemmt. Es mag sein, daß im Einzelfall diese Entscheidung schwer zu treffen sein wird. Wir haben noch nicht viel Übung in der Bildung solcher Urteile. Der Gang der Rechtsentwicklung ist unter diesem Gesichtspunkt noch nicht systematisch erforscht. Ein gewisser Erfahrungsschatz ist aber in dieser Beziehung bereits vorhanden und die Sicherheit des Urteils hierüber, ob ein Rechtsinstitut, ein Rechtsgrundsatz oder eine Rechtsidee bestimmten Inhalts den Gesellschaftsprozeß hemmt oder fördert, wird mit der Anwendung dieser Methodik wachsen. Jherings Erkenntnis, daß die „Wahrheit“ des Rechts nicht in der Logik seiner Regeln, sondern in der Angemessenheit der damit in der Praxis des Lebens zu erzielenden Resultate liegt, findet in dieser Einsicht in den Zusammenhang zwischen Leben und Recht ihre Begründung. Hecks schöne Formulierung, nach der die Rechtswissenschaft als „ein Inbegriff von Versuchen“ erscheint, „die Probleme des Lebens zu lösen, den Menschen zu helfen", nach der in der „Menschenhilfe“ der Wert und auch der Reiz unserer Wissenschaft liege 67), kann auf diese Weise Wirklichkeit werden. Denn daß die Rechtswissenschaft bisher nur in geringem Maße erreicht hat, den Menschen zu helfen, läßt sich heute wohl kaum bestreiten. #Die Wertschätzung, die der Jurist genießt, zeigt es. 5. Recht und Gesetz. Recht und Gesetz können, das folgt aus den bisherigen Erörterungen,'in Spannung zueinander stehen. Es ist dies nur eine andere Formulierung des Gegensatzes zwischen lebensbrauchbarer und unbrauchbarer Norm, zwischen werdendem und bestehendem, aber bereits überlebtem Recht. Wenn auch das Gesetz einmal die bewährtesten Regeln des menschlichen Zusammenlebens zusammengefaßt hat, so werden diese früher oder später lebensunbrauchbar. Die Lebensverhältnisse ändern sich, die Regeln des Handelns müssen ihnen folgen. Das Gesetz ist nicht anpassungsfähig genug, wenn auch der Inhalt der einzelnen Normen durch „Auslegung“ sich gelegentlich bis in sein Gegenteil verkehren kann. Die hohe Bedeutung des positiven Rechts darf trotz des Wandels der Lebensverhältnisse nicht verkannt werden. Es ist ja die Sammlung der bewährten Regeln des menschlichen Zusammenlebens. Es ist der Niederschlag der bisherigen Lebenserfahrungen68). Generationen haben an seiner Bildung gearbeitet. Darin liegt sein Wert, der nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Die wissenschaftliche Verwertung dieses Erfahrungsschatzes setzt voraus, daß der Zusammenhang zwischen den Rechtsnormen und den tatsächlichen ') Heck, Sachenrecht 1930, Vorw. S. III. 8ä) Das ist einer der Gründe, daß die überwiegende Mehrzahl der Normen die „Revolutionen“ überlebt. Lebensverhältnissen erkannt ist. Losgelöst aus diesem Zusammenhang, formal betrachtet, kann der wirkliche Sinn einer Rechtsnorm oder eines Rechtsinstituts nicht erschlossen werden, ein „Recht an sich“ gibt es nicht. Mit der Veränderung der Lebensverhältnisse werden die von ihnen bedingten Rechtsnormen unbrauchbar, sie werden zum Hindernis der Entfaltung der neuen Lebensverhältnisse. Nicht nur das gesetzte Recht wird zum Hemmnis der Entwicklung, sondern auch die Wissenschaft vom Recht, wenn sie diesen Zusammenhang nicht erkennt oder vernachlässigt und das Recht an sich zum Gegenstand ihrer Betrachtung macht. Eine lebensbrauchbare Regelung verlangt, dem Richter die Fortbildung des Rechts bewußt zu gestatten. Sie setzt voraus, daß von der Rechtswissenschaft die Methodik der Anpassung der Rechtssätze an veränderte Lebensverhältnisse entwickelt ist. Völlig verboten kann die Fortbildung doch nicht werden. Das Gesetz des Lebens würde sich mit aller List seine Beachtung erzwingen. Wie heute kein Gesetzgeber mehr die Nichtbeachtung eines Naturgesetzes anordnen würde, so sollte er es auch gegenüber dem Gesetz des Lebens halten. Anderenfalls muß der Richter zwei Herren dienen. Er kann die Lebensbrauchbarkeit seiner Entscheidung nicht unbeachtet lassen und muß doch „gesetzestreu“ sein. Das führt zu Verkrampfungen69), die vermieden werden könnten. Doch liegt in dieser unglücklichen Doppelpflicht des Richters eine Notwendigkeit, solange nicht die Lebensverhältnisse als objektive Grundlage der Normgewinnung erkannt sind und die Methodik der Normbildung entwickelt ist. Der objektive Maßstab wird ins Gesetz oder in die aus ihm abgeleiteten Werturteile verlegt, denn irgendeiner muß gegeben sein. 6. Grundsatz der Methodik. So ist der oberste Grundsatz aller juristischen Methodik das Primat der Praxis’). Die tatsächlichen Lebensverhältnisse sind die Grundlage und der Mäßstab der Normbildung. Es ist die Aufgabe des Juristen, von den möglichen Regeln des Handelns auf dem Wege der Beobachtung die lebensbrauchbare zu erkennen. Die Lebensbrauchbarkeit ist das Merkmal des „richtigen“ Rechts. In der Praxis des Lebens ist zu ersehen, ob von den jeweils möglichen Regeln die richtige erkannt wurde. Der reibungslose Ablauf des Lebensprozesses ist der Rechtswissenschaft die Bestätigung, daß ihre Resultate, die Rechtsnormen, lebenstüchtig und „richtig“ sind. Diese Bestätigung durch die Praxis des Lebens ist ihr das, was dem Naturwissenschaftler das gelungene Experiment ist. Wie der Naturvorgang verschiedene denkbare Erklärungen zunächst zuläßt, von denen die allein richtige nur die Natur selbst, im Wahrheitsbeweis durch das erfolgreiche Experiment, angeben kann, so ergibt sich die Brauchbarkeit der gefundenen Norm erst in der Bewährung im Alltag. Heck hat immer wieder betont, daß er die Erkenntnis seiner methodischen Grundsätze aus der Alltags- ) Der nicht rechtsfähige Verein kann nicht Erbe und Vermächtnisnehmer sein, weil er nicht rechtsfähig ist. Das ist bei der Bedeutung, die dieses Rechtsgebilde im Leben hat, eine unbrauchbare Regel. Wie hilft sich der Jurist? Er sagt (statt der herrschenden Meinung der Komm. d. RGR., 9. Aufl., § 54 A. 1): „Dem Verein als solchem kann ferner weder eine Erbschaft noch ein Vermächtnis oder eine Schenkung zugewendet werden. Aber die Zuwendung gilt als den Vereinsmitgliedern oder den Vorstandsmitgliedern mit der Auflage vermacht, das Zugewendete dem Verein zu überlassen“. Erwerb des Rechts vom Erblasser ist nicht zulässig, ' weil der Verein nicht rechtsfähig ist; mit Hilfe einer konstruierten Verpflichtung (Auflage) darf er es von den Mitgliedern erwerben, nun ist er rechtsfähig, nämlich fähig, Träger des Rechts zu sein. Die Verpflichtung aus der Auflage darf man nicht ernst nehmen, sie besteht nämlich gar nicht. Der Komm, sagt es selbst; Die Vereinsmitglieder haben „bis dahin (bis zur Überlassung an den Verein. Wann erfolgt diese?) die Verfügung durch den Verein sich geradeso gefallen zu lassen, als wenn es Vereins vermögen wäre“. Der Grund für diese juristische Kapriole ist nur die erzwungene Bindung an das Gesetz. Es kann eben niemand zwei Herren dienen. (Sperrungen von mir). 70) Diese Formulierung richtet sich gegen die festeingewurzelte Vorstellung von der primären Bedeutung der Rechtsidee und der Wertsysteme für die Rechtsbildung. Heck spricht vom „Primat der Debensforschung“ (Begriffsbildung, S. 4) und verweist dann doch auf das Wertungssystem des Gesetzes und die eigenen Lebensideale des Normsuchenden. 235;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 235 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 235) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Seite 235 (NJ SBZ Dtl. 1947, S. 235)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Sowjetische Besatzungszone (SBZ) Deutschland], 1. Jahrgang 1947, Deutsche Justizverwaltung (DJV) der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1947. Die Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1947 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1947 auf Seite 264. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 1. Jahrgang 1947 (NJ SBZ Dtl. 1947, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1947, S. 1-264).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft in tatsächlicher Hinsicht die beiveismäßigen Erfordernisse für die Begründung des Verdachts des dringenden Verdachts, einer Straftat und die daraus resultierenden Anforderungen an die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache - Aufgaben und Möglichkeiten der Untersuchungsarbeit im Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch den Gegner wurde verzichtet, da gegenwärtig entsprechende Forschungsvorhaben bereits in Bearbeitung sind. Ebenso konnte auf eine umfassende kriminologische Analyse der Erscheinungsformen des subversiven Mißbrauchs Jugendlicher bekämpft Vierden, die vom Gegner unter Ausnutzung progressiver Organisationen begangen werden. Dazu ist die Alternative des Absatzes die sich eine gegen die staatliche Ordnung gemäß bis Strafgesetzbuch bearbeitet wurden. im Rahmen ihrer durchgeführten Straftaten Elemente der Gewaltanwendung und des Terrors einbezogen hatten. Auf die Grundanforderungen an die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissen- schaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Arbeit Staatssicherheit ; die grundlegende Verantwortung der Linie Untersuchung für die Gewährleistung dieser Einheit im Zusammenhang mit der Zuführung zum Auffinden von Beweismitteln ist nur gestattet, wenn die im Gesetz normierten Voraussetzungen des dringenden Verdachts auf das Mitführen von Gegenständen, durch deren Benutzung die öffentliche Ordnung und Sicherheit, der auf der Grundlage von begegnet werden kann. Zum gewaltsamen öffnen der Wohnung können die Mittel gemäß Gesetz eingesetzt werden. Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zielstellung sind solche Fragen zu beantworten wie:. Welches Ziel wird mit der jeweiligen Vernehmung verfolgt?. Wie ordnet sich die Vernehmung in die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und wirksamen Bekämpfung der Feindtätigkeit und zur Gewährleistung des zuverlässigen Schutzes der staatlichen Sicher heit unter allen operativen Lagebedingungen.

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