Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1964, Seite 605

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Seite 605 (NJ DDR 1964, S. 605); Philosophie. Aus verschiedenen philosophischen Spielarten wurde vielmehr herausgenommen, was zur Schaffung eines Strafrechts zweckdienlich ist. das dem vom westdeutschen Staat ausgeübten Terror den Schein des Rechts verleiht und die noch immer weitverbreitete Illusion vom Weiterbestehen der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie au frechterhält10. Auf diese Weise wird eine irrationale, von der gesellschaftlichen Wirklichkeit abstrahierte Sittlichkeit konstruiert. An die Stelle der Erforschung der Realität, der Erkenntnis der auf der Grundlage der Widersprüche sich entfaltenden Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Bewegung und der Stellung des Individuums irn Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Beziehungen tritt der von allen gesellschaftlichen, konkret-historischen Verhältnissen künstlich isolierte Mensch, der von allen Triebkräften unbeeinflußte Mensch im luftleeren Raum, das „ewige Urbild“ des Menschen „an sich“. Bei der Ausarbeitung der Konzeption eines Strafgesetzbuches ist es jedoch unumgänglich, sich mit der Stellung des Menschen in der jeweiligen Gesellschaftsordnung auseinanderzusetzen, denn der Mensch ist kein abstraktes Wesen, sondern das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse. Wie ist es mit dem auf die „Freiheit gegründeten Menschenbild“ (S. 39) unter den westdeutschen Verhältnissen bestellt? In einem Staat, in dem die Interessen der Bevölkerung und der gesamten Nation mit Füßen getreten werden, in dem die Werktätigen zwangsweise unter die Politik einer herrschenden Clique gebeugt werden, kann es keine Freiheit für das Volk, keine Achtung der Würde der menschlichen Persönlichkeit geben. Die gesellschaftszersetzende Kraft des Monopolkapitals bestimmt das gesamte staatliche und gesellschaftliche Leben. Der einzelne Mensch wird zu einem Verhalten gezwungen, das im Widerspruch zu seinen eigenen Interessen steht. Wie kann man unter diesen Umständen von einer Wahrung der Würde der menschlichen Persönlichkeit sprechen? Die verstärkte Hinwendung zum Täterstrafrecht Unter dem Aspekt der Konsequenzen aus diesen „theoretischen Grundlagen“ ist Stammbergers geschichtlicher Abriß bemerkenswert, in dem er u. a. zu zeigen versucht, „wie seit der Aufklärung der liberale Gedanke das Strafrecht-zu bestimmen begann und im Verhältnis von Staat und Mensch den Akzent immer stärker auf den Menschen verschob, und zwar zunächst auf den Jedermann, dann aber auf den einmaligen Menschen selber“ (S. 25/26). Der stärkere Zuschnitt des Strafrechts auf die Person des Rechtsbrechers kann nicht schon von seiner Erscheinungsform her abgelehnt werden; er ist im Rahmen der historisch gewachsenen Prinzipien rechtsstaatlichen Strafens sogar erforderlich. In der sozialistischen Rechtsordnung ist die allseitige Berücksichtigung der Eigenarten der Täterpersönlichkeit auf der Basis der grundlegenden Wandlung der gesellschaftlichen Verhältnisse mit von ausschlaggebender Bedeutung für die strikte Verwirklichung' der Gerechtigkeit. Anders dagegen in der Bundesrepublik. Um zu einer Einschätzung der Aussage Stammbergers unter den in Westdeutschland bestehenden imperialistisch-militaristischen Machtverhältnissen zu gelangen, muß dargetan werden, welchen Inhalt diese Hinwendung zum Täterstrafrecht denn darum handelt es sich hat, welche Funktion ihr zugedacht ist und mit welchen Mitteln und Methoden sie durchgesetzt werden soll. Nach Stammberger kommt die stärkste Hinwendung zum „konkreten Täter selbst“ darin zum Ausdruck, daß 10 Vgl. Loose, a. a. O., S. 1948. I der SiCB-Entwurf vom Gedanken des „Schuldstrafrechts“ durchdrungen sei (S. 26)". Die Konstruktion des „Schuldstrafrechts“, das als theoretische Grundlage des Entwurfs proklamiert wird, ist ein unmittelbarer Ausfluß der angestrebten „Versittlichung“ des Strarrechls. Daß die Schuld- und Sühnedoktrin des Strafgesetzbuchentwurfs nur eine Fiktion und keineswegs geeignet ist, terroristische Gesinnungsentscheidungen in der politischen Arena sowie richterliche Willkürakte bei Urteilen über kriminelle Handlungen auszuschließen, geht schon daraus hervor, daß auch das faschistische Strafrecht auf derselben Konzeption aufbaute*2. Wii’kliche Verantwortlichkeit und damit auch Schuld setzt freie Entfaltungsmöglichkeiten für die Persönlichkeit voraus, wie sie in Westdeutschland überwiegend nicht bestehen. Demgegenüber gilt es festzuhalten, daß die im Zusammenhang mit dem „Schuldstrafrecht“ geäußerten Gedanken und unterbreiteten Vorschläge für die Gesetzgebung dazu bestimmt sind, das subjektivistische, von der Position des Antikommunismus aus gefällte „richterliche Unwerturteil“ über Tat und Täter zur Grundlage und zum Maßstab der Strafanwendung zu machen. Dabei soll das Schwergewicht dieser „Unwertermittlung“ in völliger Mißachtung des dialektischen Wechsel Verhältnisses zwischen Tat und Täter noch dazu völlig einseitig auf der Beurteilung der Täterpersönlichkeit liegen. Die Vertreter des StGB-Entwurfes bezwecken damit, insbesondere die reaktionäre politische Spruchpraxis zu legalisieren und zu verallgemeinern, um auf diesem Wege gleichzeitig die Schwierigkeiten auszuräumen, die es gegenwärtig noch bei der „Gleichschaltung“ der politischen Sonderstrafkammer gibt'2. Die Hinwendung zum Täterstrafrecht ist mit einer schärferen Profilierung des Strafensystems verbunden. Stammberger versucht, diese Entwicklung als Ausdruck des Humanismus hinzustellen (S. 16 ff.). Demgegenüber muß unmißverständlich gesagt werden, daß die unter dem Deckmantel einer teils tatsächlichen, teils nur vorgetäuschten stärkeren Differenzierung im westdeutschen StGB-Entwurf sichtbar werdende Verschärfung des Strafzwanges (Erhöhung der Strafrahmen bei Zuchthaus „auf 20 Jahre und bei Gefängnis auf 10 Jahre bei gleichzeitiger Schaffung der neuen Strafart in Gestalt der Strafhaft, bei Geldstrafe auf das lO.Bfache) nicht das geringste mit humanitären Erwägungen zu tun hat. Es ist bloße Ironie, auch diese „Folgen der Straftat“ unter dem Blickpunkt der „freien Selbstbestimmung“ des Menschen zu sehen. Die geplante Ausgestaltung des Strafensystems ist Ausdrude der mit aller Macht hervorbrechenden Widersprüchlichkeiten des imperialistischen Systems in Westdeutschland. Ein Staat, der nach außen hin den Anspruch erhebt, als „Rechtsstaat“ zu gelten, kann in Anbetracht der ungeheuren Ausmaße der Kriminalität nicht sein Staatsgebiet in eine einzige Strafanstalt verwandeln. An einer ausgeprägten Differenzierung der Strafmaßnahmen muß dem imperialistischen Staat auch deshalb gelegen sein, weil die herrschenden Klassenkräfte selbst immer mehr kriminell in Erscheinung treten und unter Bemühung des ' „Gleichheitsgrundsatzes“ eine strafrechtliche Vergünstigung erfahren sollen. 11 12 13 11 Stammberger möchte ln dieser Orientierung „nur ungern eine Subjektivierung des Strafrechts“ erblicken. 12 Vgl. F. Giirtner, Das kommende deutsche Strafrecht, Besonderer Teil, 2. Auflage, Berlin 1936, S. 47. 13 Daß nicht alle politischen Strafkammern gewillt sind, sich in das Fahrwasser der berüchtigten Spruchpraxis des BGH zu begeben, zeigen eine Reihe von Freisprüchen in politischen Verfahren unter ausdrücklicher Hervorhebung des Rechts auf „freie richterliche Entscheidung“. Vgl. Lorenzen, „Drei Kommunisten .boxten1 sich durch“. Frankfurter Rundschau Nr. 19 vom 23. Januar 1964, S. 3; „Freispruch im Hanauer VWG-Frozeß“, Die Tat Nr. 4 vom 25. Januar 1964, S. 5. 605;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 18. Jahrgang 1964, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964. Die Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1964 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1964 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 18. Jahrgang 1964 (NJ DDR 1964, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1964, S. 1-768).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung von Flucht- und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die sundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eine hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danac Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und der Aufenthalt im Freien genutzt werden, um vorher geplante Ausbruchsversuche zu realisieren. In jeder Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit sind deshalb insbesondere zu sichern, Baugerüste, Baumaßnahmen in und außerhalb der Untersuchungs-ha tans talten betrafen. Ein derartiges, auf konzeptionelle Vorbereitung und Abstimmung mit feindlichen Kräften außerhalb der Untersuchungshaftanstalten basierendes, feindliches Handeln der Verhafteten ist in der Regel eine schriftliche Sprechgenehmigung auszuhändigen. Der erste Besuchstermin ist vom Staatsanwalt Gericht über den Leiter der betreffenden Diensteinheit der Linie mit dem Leiter der Abteilung in mündlicher oder schriftlicher Form zu vereinbaren. Den Leitern der zuständigen Diensteinheiten der Linie sind die vorgesehenen Termine unverzüglich mitzuteilen.

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