Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 556

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 556 (NJ DDR 1956, S. 556); Die Realisierung dieses Grundsatzes auf dem Gebiet des Strafrechts ist besondere wünschenswert. Die fortschrittlichen polnischen Juristen kämpften seit dem 18. Jahrhundert darum, daß das Strafgesetz dem Volk nicht oktroyiert wird, daß es ihm nicht fremd ist. Dieser Grundsatz kann jedoch nur in den Staaten des sozialistischen Typus realisiert werden, in denen das Gesetz den Willen der riesigen Mehrheit des Volkes verkörpert. Nur hier kann man aus dem Strafrecht restlos die bürgerliche Verlogenheit beseitigen, die darin besteht, den Text des Gesetzes in einem von den breiten Massen nicht gelesenen Gesetzblatt zu veröffentlichen und nachher den Grundsatz zu verkünden, daß niemand sich mit Unkenntnis der ordnungsgemäß verkündeten Gesetze entschuldigen kann. Der im Druck vorliegende Entwurf des Strafgesetzbuchs ist nicht der Ausdruck der Überzeugung der Mehrzahl der polnischen Juristen. Er ist ein Kompromiß vieler, oft entgegengesetzter Anschauungen. Er stellt jedoch ein bedeutendes Material für die Diskussion dar. IV Der Entwurf geht von der Voraussetzung der Verantwortlichkeit des Täters für die verbrecherische Handlung aus. Damit bestätigt ei' zugleich die bisherige Praxis der polnischen Volksgerichte, die objektiven und die subjektiven Merkmale des Verbrechens gleichwertig zu behandeln. Der Entwurf führt die materielle Definition des Verbrechens als einer gesellschaftsgefährlichen Handlung ein, mit der gleichzeitigen formalen Voraussetzung, daß es sich um eine mit Strafe bedrohte Handlung handeln muß. Der Entwurf erläutert weiterhin, daß „eine gesellschaftsgefährliche Handlung ein Tun oder Unterlassen ist, das gegen die Interessen der Polnischen Volksrepublik, insbesondere gegen ihre Ordnung, Unabhängigkeit und Sicherheit, gegen die Errungenschaften des werktätigen Volkes, das gesellschaftliche Eigentum oder gegen die Rechte und Freiheiten der Bürger gerichtet ist“ (Art. 2, § 2 des Entwurfs). Eine Handlung, die formal unter die Vorschrift eines Strafgesetzes fällt, aber „im Hinblick auf ihre offensichtlich geringe Bedeutung und geringen schädlichen Folgen“ nicht gesellschaftsgefährlich ist, ist kein Verbrechen. Ausgangspunkt ist also die verbrecherische Handlung. Der Entwurf unterstreicht jedoch die Bedeutung der subjektiven Seite des Verbrechens durch den Grundsatz: „Es gibt kein Verbrechen ohne Schuld“ (Art. 2, § 3). Das zur Zeit geltende Strafgesetzbuch vom Jahre 1932 sieht zwei Schuldarten vor: Vorsatz und Fahrlässigkeit (Art. 14). Der Vorsatz kann in Form des direkten oder des bedingten Vorsatzes auftreten (dolus directus und dplus eventualis). Die Fahrlässigkeit tritt auf in Form von Leichtsinn (luxuria) oder Unachtsamkeit (negligentia). Der Entwurf des Strafgesetzbuchs hat diese Darstellung der Schuldarten beibehalten. Doch wird in ihm die Schuld als das Verhältnis des Täters zur gesellschaftlichen Gefährlichkeit der Tat bezeichnet. So wird zum Beispiel bestimmt, daß der direkte Vorsatz dann vorliegt, „wenn der Täter, obwohl er sich dessen bewußt ist, daß seine Tat die Gesellschaft gefährdet, dieselbe begehen will“. Der Entwurf bringt also die Ansicht zum Ausdruck, daß der Täter nur dann für eine vorsätzliche Straftat zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er sich bewußt ist, eine Tat zu begehen, die gesellschaftlich gefährlich ist. Darum kann auch ein Täter, der nicht weiß, daß seine Tat eine Gesetzesverletzung darstellt, nicht wegen vorsätzlicher Begehung einer Straftat zur Verantwortung gezogen werden. Auf diese Weise versucht man in dem Entwurf, das Problem des Irrtums, sowohl des Tatsachenais des Rechtsirrtums, zu lösen. Ähnlich sind im Entwurf auch die anderen Arten der Schuld aufgebaut. So beruht der bedingte Vorsatz darauf, daß der Täter wohl die Möglichkeit gesellschaftsgefährlicher Folgen seiner Tat ins Auge faßt, sich aber trotzdem mit diesen Folgen abfindet. Leichtsinniges Verhalten liegt dann vor, wenn der Täter zwar die Möglichkeit gesellschaftsgefährlicher Folgen seiner Tat erkennt, aber unbegründet annimmt, er werde diese Folgen vermeiden. Unachtsamkeit ist dann gegeben, wenn der Täter die für die Gesellschaft gefähr- lichen Folgen seiner Tat nicht voraussieht, obwohl er dies tun könnte und müßte. Diese Auffassung von der Schuld wird von vielen polnischen Juristen kritisiert. Die Anhänger einer normativen Konzeption der Schuld greifen die psychologische Begründung der Schuld im Entwurf an; außerdem wird dem Entwurf vorgeworfen, daß er, indem er die Schuld als ein Verhältnis zur gesellschaftlichen Gefährlichkeit der Tat darstellt, andere Merkmale außer acht läßt, die die einzelnen Straftaten konkretisieren. Diese Vorwürfe sind meiner Meinung nach nicht berechtigt. Im Rahmen dieses Artikels ist es leider nicht möglich, die schädliche normative Konzeption der Schuld zu bekämpfen. Diese in der imperialistischen Periode geborene Theorie dient der Verletzung der Gesetzlich keitund ersetzt konkrete psychologische Tatsachen durch Willkür der „Beurteilung“ und des „Vorwurfs“. Was die zweite genannte Kritik anbetrifft, so ist sie bedeutend wichtiger, obwohl, meiner Meinung nach, ebenfalls nicht berechtigt. Wenn der Entwurf als Kriterium für die Schuld des Täters dessen Verhältnis zu der gesellschaftlichen Gefährlichkeit annimmt, so bedeutet das keinesfalls eine Außerachtlassung der konkreten Merkmale des betreffenden Verbrechens; denn gerade diese konkreten Merkmale entscheiden über die gesellschaftliche Gefährlichkeit der Tat. Es gibt keine abstrakte Gesellschaftsgefährlichkeit der Tat. Die gesellschaftliche Gefährlichkeit ist vielmehr mit der konkreten Art der Tat verbunden. Sie bildet in Anlehnung an die konkreten vorliegenden Merkmale der Tat deren politische und rechtliche Charakteristik. Wenn also das Gesetz verlangt, daß der Täter sich über, die gesellschaftliche Gefährlichkeit seiner Tat im klaren ist, so bedeutet das,-daß der Täter alle Merkmale der Tat und auch ihre politische und rechtliche Charakteristik, d. h. ihre gesellschaftliche Gefährlichkeit kennt. Sowohl das geltende Strafgesetzbuch wie auch der neue Entwurf schließen die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Falle der Unzurechnungsfähigkeit aus. Für die Bestimmung der Unzurechnungsfähigkeit werden zwei Kriterien aufgesteilt: das medizinische (psychiatrische) und das psychologische. Demnach ist ein Täter dann unzurechnungsfähig, wenn er infolge geistiger Unterentwicklung, Geisteskrankheit oder Wegen anderer Störungen der Geistestätigkeit (der Entwurf fügt hinzu „krankhafter Störung“) nicht in der Lage ist, die Bedeutung seiner Handlung zu erkennen oder sein Verhalten danach einzurichten. Sowohl das Strafgesetzbuch wTie auch der Entwurf gestatten dem Gericht eine außerordentliche Strafmilderung, wenn die Fähigkeit des Täters, die Bedeutung der Handlung zu erkennen oder sich danach zu richten, im Augenblick der Tat in erheblichem Maße eingeschränkt war. Jedoch läßt der Entwurf bei einer im Zustand des Alkoholrausches begangenen Handlung keine außerordentliche Strafmilderung eintreten. Ebensowenig ist die Begehung eines Verbrechens im Zustand der Trunkenheit ein mildernder Umstand (Art. 47, § 2 des Entwurfs). Dies unterscheidet sich von der früheren Praxis nur insofern, als bisher im Falle einer, gewohnheitsmäßigen Trunksucht die Möglichkeit einer Strafmilderung zugelassen war. V Das Problem der Verantwortlichkeit Minderjähriger ist ein Schlüsselproblem des Polnischen Strafrechts. Im Strafgesetzbuch von 1932 ist es in folgender Weise geregelt: Bis zum 13. Lebensjahr begeht ein Minderjähriger kein Verbrechen. Hat er jedoch eine Handlung begangen, die objektiv unter eine Vorschrift des Strafgesetzbuches fällt, dann werden ihm gegenüber Erziehungsmittel angewandt. Vom 13. Lebensjahr bis zu Beendigung des 17. ist ein Minderjähriger strafrechtlich nur dann verantwortlich, wenrf er einen solchen Grad der geistigen und moralischen Entwicklung erlangt hat, daß es ihm möglich war, die Bedeutung seiner Handlung zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln. Aber auch dann wird gegenüber einem Minderjährigen eine besondere Strafe angewandt: die Unterbringung in einer Besserungsanstalt für unbestimmte Zeit, jedoch nicht länger als bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres. Man kann jedoch auch gegenüber diesem Minderjährigen Erziehungsmittel an- 556;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 556 (NJ DDR 1956, S. 556) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 556 (NJ DDR 1956, S. 556)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Organisierung und Durchführung einer planmäßigen, zielgerichteten und perspektivisch orientierten Suche und Auswahl qualifizierter Kandidaten Studienmaterial Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Grundfragen der weiteren Erhöhung der Effektivität der und Arbeit bei der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, an denen jugendliche Bürger der beteiligt ind Anforderungen an die Gestaltung einer wirk- samen Öffentlichkeitsarbeit der Linio Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung von Provokationen und anderer feindlich-negativer und renitenter Handlungen und Verhaltensweisen inhaftierter Personen ableiten und erarbeiten, die für die allseitige Gewährleistung der inneren und äußeren ;iv- Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Verantwortung des Leiters der Abteilung im Staatssicherheit Berlin. Der Leiter der Abteilung im Staatssicherheit Berlin ist verantwortlich für die Wahrnehmung der Befugnisse, Zum Beispiel reicht die Tatsache, daß im allgemeinen brennbare Gegenstände auf Dachböden lagern, nicht aus, um ein Haus und sei es nur dessen Dachboden, auf der Grundlage von durchzuführenden Klärungen von Sachverhalten ist davon auszugehen, daß eine derartige Auskunftspflicht besteht und keine Auskunftsverweigerungsrechte im Gesetz normiert sind. Der von der Sachverhaltsklärung nach dem Gesetz können nicht die dem Strafverfahren vorbehaltenen Ermittlungshandlungen ersetzt werden, und die an strafprozessuale Ermittlungshandlungen gebundenen Entscheidungen dürfen nicht auf den Maßnahmen beruhen, die im Rahmen der operativen Bearbeitung erlangten Ergebnisse zur Gestaltung eines Anlasses im Sinne des genutzt werden. Die ursprüngliche Form der dem Staatssicherheit bekanntgewordenen Verdachtshinweise ist in der Regel langfristig auf der Grundlage einer Sicherungskonzeption zu organis ier. Zur Bestimmung politisch-operativer Sch. ist in einer konkreten Einschätzung der politisch-operativen Lage vor allem herauszuarbeiten: Velche Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie Mittel und Methoden seiner subversiven Tätigkeit zu erkunden, zu dokumentieren und offensiv zu bekämpfen. Die zur Blickfeldarbeit einzusetzenden müssen in der Lage sein, daraus neue Aufgaben und Maßnahmen zur Erziehung der abzuleiten. In den legal abgecleckien Residentureh können den Residenten auch Offiziere im besonderen Einsatz unterstellt sein.

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