Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 511

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 511 (NJ DDR 1956, S. 511); Dem Senat erscheint also für eine Verurteilung als wesentlich, daß Jupp Ledwohn Kontakte mit Vertretern der Arbeiterpartei in der DDR unterhält, und zwar unabhängig davon, ob diese Kontakte überhaupt in irgendeiner Weise mit dem Vorwurf der Anklage im Zusammenhang stehen. Der Versuch, die Angeklagten wegen ihrer Mitwirkung bei der Ausarbeitung des Programms der nationalen Wiedervereinigung zu verurteilen, gleichzeitig aber entsprechend den propagandistischen Bedürfnissen, die sich aus der Politik der Adenauer-Regierung ergeben die Urheber dieses Programms außerhalb der Bundesrepublik zu suchen, bringt den Senat bei der Urteilsbegründung in zusätzliche, in früheren Verfahren nicht aufgetretene Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten werden dadurch verstärkt, daß Beweise für eine angebliche hochverräterische Planung der Kommunisten heute weniger denn je mit der Aussicht konstruiert werden können, einer brei= teren Öffentlichkeit einigermaßen glaubwürdig zu erscheinen, zumal gerade der 6. Senat , und seine Rechtsprechung seit längerer Zeit unter besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit stehen. Die öffentliche Kritik an der Praxis der politischen Justiz in Westdeutschland ist in großem Umfange gerade auf die Tätigkeit des 6. Senats gerichtet, gegen dessen Praxis insbesondere von namhaften sozialdemokratischen Funktionären und Juristen Vorwürfe massivster Art erhoben werden, die in der Feststellung gipfeln, er bestrafe nicht mehr „das kriminelle Vergehen, sondern die Gesinnung“23) und praktiziere Methoden der „Hexenverfolgung“24), seine Anwendung der Normen des Ersten Strafrechtsänderungsgesetzes wachse sich „zu einer Bedrohung der Freiheit“ aus25), und seine Rechtsprechung zeige „eine Gesinnung mit bürgerkriegsähnlichen Tendenzen“26). Diese Zusammenhänge führten im Prozeß gegen Rische, Ledwohn und andere zu bemerkenswerten Entlarvungen, die deshalb besondere Beachtung verdienen, weil sie praktisch einem vernichtenden Urteil über die bisherige Praxis des 6. Senats und der anderen politischen Sondergerichte in der Bundesrepublik gleichkommen und so die Berechtigung der Forderung unterstreichen, die politischen Gesinnungsprozesse zu beenden. In früheren Urteilen hatte der Senat wiederholt erklärt, es könne kein Zweifel daran bestehen, daß diese jetzt angeklagten Funktionäre mit dem Programm der nationalen Wiedervereinigung Hochverrat „beabsichtigt“ hätten27). Diese Behauptungen bildeten den Ausgangspunkt für die Verurteilung zahlreicher Funktionäre und Mitglieder der KPD. Jetzt, im Urteil gegen diese verantwortlichen Funktionäre der KPD selbst, ist diese in früheren Verfahren ohne Beweiserhebung über die betreffenden Tatsachen aus der Luft gegriffene Behauptung nicht mehr zu halten. Daher greift der Senat zur Konstruktion eines „bedingten Vorsatzes“ der Angeklagten, der darin bestehen soll, daß sie „in dem Bewußtsein gehandelt haben“, daß andere, nämlich die angeblichen Urheber, „mit der Möglichkeit der Durchsetzung gerechnet haben“, obwohl der Senat meint, „nicht völlig in Abrede stellen“ zu können, daß die jetzt verurteilten tatsächlichen Urheber, deren Mitwirkung bei der Ausarbeitung des Programms trotz allem ausdrücklich festgestellt wird, „die Möglichkeit der Durchsetzung nicht ohne jede Einschränkung bejaht haben“28). Das bleibt zur Zeit noch von der speziellen Absicht, von der in früheren Urteilen als einer nicht mehr zu bezweifelnden Tatsache gesprochen wurde, übrig! Dem 6. Senat genügt es allerdings für die Verurteilung von drei der Angeklagten wegen Hochverrats. 23) SPD-Abg. Dr. Koch am 11. April 1956 im Landtag von Nordrhein-Westfalen. 24) SPD-Abg. Wehner, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für gesamtdeutsche Fragen, am 30. Mai 1956 im Bundestag. 25) SPD-Abg. Dr. Arndt auf dem Kölner SPD-Kongreß im Januar 1956, „Die Neuordnung Deutschlands“, S. 123. 26) Prof. Dr. Hermann Brill in „Gewerkschaftliche Monats- hefte“, Nr. 10/1955, S. 608 f. 28) Mündliche Urteilsbegründung, S. 17 f. Die öffentliche Aufmerksamkeit und Kritik gegenüber der Bonner politischen Justiz ist zweifellos auch die Ursache für die Versuche des Senats, jeden Zusammenhang zwischen der gegenwärtigen politischen Situation und diesem Prozeß zu leugnen, den Prozeß gewissermaßen als ein nicht der politischen Gegenwart zugehöriges Ereignis abzustempeln und deshalb mit Nachdruck zu erklären, es handle sich lediglich um die Aburteilung eines abgeschlossenen, in der Vergangenheit zurückliegenden Vorgangs. Das führt wiederum unmittelbar zu dem wirklich bemerkenswerten Eingeständnis, daß die angeblich der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik und der Demokratie von den Kommunisten drohende Gefahr, von der in Bonn so viel gesprochen wird, in Wahrheit niemals bestanden hat29). Auch der 6. Senat kann eben nicht anders erklären, daß es in der realen Tatsachenwelt keine kommunistische Hochverratsplanung gegeben hat. Und da sich heute jeder, der von einer kommunistischen Umsturzvorbereitung spricht, selbst als unverbesserlicher Phantast entlarvt, muß der Senat andererseits zur Rechtfertigung der Verurteilung doch wieder derartige angebliche kommunistische Absichten in die Vergangenheit projizieren. Ein solcher Versuch ist aber nur möglich, wenn man zugleich einen wesentlichen Unterschied zwischen den Zielen der Kommunisten in der damaligen Zeit und ihren gegenwärtigen Zielen konstruiert. Deshalb erklärt der Senat im Urteil, die politischen Verhältnisse hätten „sich seit damals gewandelt“, und es sei „durchaus“ anzunehmen, daß „vom heutigen Standpunkt und von den heutigen politischen Verhältnissen aus gesehen“ derartige Pläne und Gefahren nicht bestehen30). So führen seine verschiedenen Versuche, die Verurteilung der Angeklagten zu begründen, den Senat in der Tat dazu, das Bestehen einer kommunistischen Bedrohung der verfassungsmäßigen Ordnung sowohl für die Vergangen-- heit als auch für die Gegenwart zu leugnen, womit er selbst nicht nur dem Verbotsprozeß gegen die KPD, sondern auch allen anderen gegen die Kommunisten gerichtlichen Willkürmaßnahmen den Boden entzieht. Der Ablenkung der öffentlichen Meinung dient der vom Oberbundesanwalt beantragte und vom Senat ausgesprochene Freispruch der Angeklagten Zemke und Zellner. Vor allem diese Seite des Urteils soll dem in der Öffentlichkeit so stark in Mißkredit geratenen 6. Senat wieder etwas Ansehen verschaffen und zugleich die Tatsache verdecken, daß das Urteil gegen die anderen drei Angeklagten die Fortführung der bisherigen Praxis darstellt. Wie stark die Notwendigkeit ist, die politische Justiz der Bundesrepublik vor der Öffentlichkeit reinzuwaschen, zeigen diese Freisprüche um so deutlicher, als letzten Endes der Oberbundesanwalt und der 6. Senat auch damit selbst ein vernichtendes Urteil über die bisherige westdeutsche Justizpraxis in derartigen Verfahren überhaupt sprachen. Hier wurden zwei kommunistische Funktionäre freigesprochen, die im Prinzip dasselbe getan haben daran kann auch der Senat in seiner Begründung nicht vorbei wie diejenigen An- 27) Vgl. Urteil gegen Reichel und Beyer (StE 217152, S. 32 f.), Urteil gegen Angenfort und Seiflert (StE 1/52, S. 154), Urteil gegen SDA-Funktionäre vom 4. Juni 1956 (Stenografische Mitschrift der mündlichen Begründung, S. 42). Auf diese Äußerungen, die Inhaltlich das Urteil über die jetzt erst vor dem Senat stehenden Funktionäre vorwegnahmen, sowie auf die oben bereits dargestellten Auswirkungen der antikommunistischen Konzeption des Senats auf seine Rechtsprechung stützte die Verteidigung einen Antrag auf Ausschließung des Senatspräsidenten Dr. Geier und dreier anderer Bundesrichter wegen begründeter Besorgnis der Befangenheit. Rechtsanwalt Böhmer konnte mit Recht erklären: „ICh glaube kaum, daß es einen Fall geben wird, in dem in einer solchen Form und in einer solchen Kette von Äußerungen und Feststellungen in Urteilen jemals eine natürliche Person vorweg verurteilt worden ist wie in diesem Fall“. (1. Verhandlungstag, Nachmittagssitzung, S. 8.) Der Senat fand für die Ablehnung dieses Antrags im Kern keine andere „Begründung“ als die Behauptung, die Verfahrensweise des Senats rechtfertige „für einen verständigen Angeklagten nicht die Besorgnis, daß die obengenannten Richter ihm gegenüber nicht unvoreingenommen entscheiden würden“ (Beschluß des 6. Senats StE 20/54 vom 26. Juni 1956, S. 2). 29) Der Senat erklärt, diese Gefahr habe „sieh tatsächlich nicht verwirklicht“, sie sei „möglicherweise nicht so groß gewesen“, es habe „keine ernsthafte Gefährdung der Bundesrepublik“ gegeben (Mündliche Urteilsbegründung, S. 25 f.). 30) Mündliche Urteilsbegründung, S. 25 f. 5U;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 511 (NJ DDR 1956, S. 511) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 511 (NJ DDR 1956, S. 511)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

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