Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 28

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 28 (NJ DDR 1956, S. 28); Das Gericht hatte zu prüfen, ob diese Maßnahmen zur Erfüllung der notwendigen Sorgfaltspflicht ausreichten. Durch die Diebstahlsfälle, die dem Angeklagten durch den Pförtner und durch seine übrigen Mitarbeiter gemeldet worden waren, erfuhr er, daß in seinem Betriebe Unregelmäßigkeiten vorkamen. Die Verwarnungen, die der Angeklagte bei Feststellung der Täter erteilte, reichten nach Ansicht des Gerichts zur Erfüllung seiner notwendigen Sorgfaltspflicht nicht aus. Die Betriebsangehörigen haben darauf nicht reagiert. Es hätte nicht zu derart umfangreichen Diebereien kommen können, wenn der Angeklagte rechtzeitig einschneidende Maßnahmen ergriffen hätte. Dazu gehört, daß auftretende Diebstähle nicht betrieblich bereinigt und durch eine Verwarnung erledigt werden. Der Angeklagte war als Betriebsleiter verpflichtet, Diebstähle der Kriminalpolizei zur weiteren Überprüfung zu melden. Der Angeklagte selbst hat einen Betriebsangehörigen gestellt, der in einem Eimer unter den Därmen Fett forttransportierte. Der Angeklagte wußte auch, daß von dem Flomenfett Stücke abgeschnitten worden waren. Ihm wurde ferner gemeldet, daß von etwa 15 Schweinen an einem einzigen Tage das Saumfleisch beschnitten worden war. In allen Fällen glaubte der Angeklagte, daß eine Zusammenkunft und Verwarnung ausreiche, damit solche Diebstähle nicht wieder auf treten. Aus seiner eigenen Erfahrung mußte er aber wissen, daß kein Angestellter des Schlachthofes auf seine Belehrungen etwas gab. Der Angeklagte konnte nicht immer selbst Kontrollen durchführen, er mußte aber veranlassen, daß der Betrieb gegen Diebstahl soweit als möglich geschützt wird. Es genügte nicht, daß der Angeklagte gelegentlich durch den Aufenthaltsraum ging und in die offenen Schränke schaute. Als die Volkspolizei am 16. Februar 1953 schlagartig den Aufenthaltsraum kontrollierte, stellte sie in Schränken und anderen Verstecken 11 kg Fleisch und Leber und 6 kg Flomenfett sicher. Das ist die Menge, die allein an einem Tage dort vorzufinden war, obwohl außerdem noch am gleichen Tage der im Vorverfahren verurteilte Kopfschlächter M. bereits mit 9,3 kg Fleisch und Fettwaren gestellt worden war. Das Gericht gewann den Eindruck, daß alle Belehrungen des Angeklagten nur formalen Charakter trugen, daß er sie nur erteilt hatte, um den Vorschriften nachgekommen zu sein. Aus dem Verhalten des Angeklagten nach der Feststellung der verschiedenen Diebstähle schloß das Gericht, daß der Angeklagte irgendwie bemüht war, die Ermittlungsorgane der Volkspolizei vom Schlachthof fernzuhalten. Da der Angeklagte lange Jahre in dem Betrieb tätig war, mußte er wissen, wie die Belegschaftsangehörigen auf sein Verhalten reagieren. Die Durchführung der Kontrolle mußte naturgemäß dort einsetzen, wo die größte Möglichkeit zum Stehlen gegeben war, nämlich in der Schlachthalle vom Prozeß des Schlachtens der Tiere bis zum Abgang über die Waage in das Kühlhaus. In dem Vorverfahren hat sich ergeben, daß nur hier gestohlen worden ist. Daneben wurde auch festgestellt, daß der Kühlhausarbeiter A. in verschiedenen Zeitabständen unkontrolliert 7 oder 8 Kannen, die für die Blutaufnahme bestimmt waren, mit Fett gefüllt aus dem Schlachthofgelände herausbringen konnte. Der Angeklagte sagt selbst, daß die Blutkannen offen im Kühlraum stehen mußten, damit das Blut nicht abstickt. Wie sicher mußte sich der A. fühlen, wenn er die Fettkannen mit in den Kühlraum stellte; er befürchtete offenbar nicht, daß seine strafbare Handlung dabei aufgedeckt werden könnte. Dem Angeklagten hätte auch zu denken geben müssen, daß einzig der Pförtner H. feststellte, daß Betriebsangehörige stehlen, während von den anderen Pförtnern niemals Beanstandungen eingingen. Das ganze Kontrollsystem war unzureichend. Der Angeklagte sagt selbst, daß er gar nicht, über alle festgestellten Diebstähle unterrichtet worden ist. Pflicht des Angeklagten war es, in jeder Weise dafür zu sorgen, daß eine Schmälerung des Volkseigentums soweit als möglich verhindert werde. Diese Pflicht hat er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit der Sorgfalt erfüllt, die man von dem Leiter eines volkseigenen Betriebes erwarten muß. Der Angeklagte hat sich des Vergehens nach § 10 WStVO schuldig gemacht. Das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands wies auf seinem 21. Plenum darauf hin, daß alles getan werden muß, um die Rentabilität der volkseigenen Wirtschaft zu erhöhen, die Selbstkosten zu senken und Betriebsverluste zu vermeiden. Nur so kann der Lebensstandard unserer Bevölkerung weiter gehoben und verbessert werden. Der Angeklagte ist selbst Mitglied der Partei der Arbeiterklasse.' Für ihn mußte es eine besonders hohe Pflicht sein, nach den Beschlüssen seiner Partei zu handeln. Es ist zuzugeben, daß der Angeklagte als Betriebsleiter noch andere, ebenso wichtige Aufgaben zu erfüllen hatte. Es stimmt- auch, daß er in einem Betrieb mit etwa 100 Beschäftigten andere Aufgaben hat, als selbst Kontrollen durchzuführen. Trotzdem muß gewährleistet sein, daß Fahrzeuge, die für die Verschiebung von Lebensmitteln in Frage kommen, auch durch Stichproben einer Kontrolle unterzogen werden. Eine häufige stichprobenweise gründliche Leibesvisitation muß bei männlichen und weiblichen Angestellten des Betriebes durchgeführt werden. Die Schrankkontrollen sind als wirkliche Kontrollen zu handhaben. Dazu empfiehlt es sich, daß der Aufenthaltsraum während der Arbeitszeit verschlossen wird und der Schlüssel unter Aufsicht im Büro verbleibt. In der Vorverhandlung hat sich ergeben, daß die Kopfschlächter genügend Zeit hatten, während ihrer Arbeitszeit das gestohlene Gut in den Aufenthaltsraum zu schaffen. Während dieser Zeit hat aber niemand den Aufenthaltsraum, der ja zum Verweilen während der Betriebspausen bestimmt ist, zu betreten. Schrankkontrollen sind überraschend durchzuführen, und zwar dann, wenn alle, die zu der Gruppe gehören, anwesend sind, damit nicht einer den anderen vorher warnen kann. Auch sind gelegentlich Kontrollen des Betriebsplatzes vorzunehmen, um zu vermeiden, daß etwas an Betriebsfremde zum Weitertransport übergeben wird. Über diese Maßnahmen zum Schutze des Betriebes mußte sich der Angeklagte Gedanken machen. Er mußte erkennen, daß das von ihm Veranlaßte keineswegs den Erfordernissen der Sicherheit entspricht. Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Geldstrafe von 600 DM. Die Strafe soll geeignet sein, dem Angeklagten das Unzureichende seines Verhaltens klarzumachen und ihn auf die Gefahr hinzuweisen, die durch fahrlässige Pflichtversäumnis für das Volkseigentum entsteht. Die Strafe soll geeignet sein, auf den Angeklagten erzieherisch einzuwirken, um ihn für die Zukunft an die Erfüllung seiner Pflichten zu mahnen. Das Gericht folgte daher dem Anträge der Staatsanwaltschaft und erkannte auf eine Geldstrafe in Höhe von 600 DM. Anmerkung: Das vorstehende Urteil ergänzt gut die Ausführungen des Referats des Ministers der Justiz auf der Leipziger Konferenz zur Frage der „Betriebsgerichtsbarkeit“. Es heißt dort: „Die sog. Betriebsgerichtsbarkeit ist in allen ihren Spielarten absolut da abzulehnen, wo sie in versöhnlerischer Haltung der Verschleierung der Kriminalität dient. Wo sie sich eingebürgert hat, ist sie tragbar in den Fällen, in denen die Gesellschaftsgefährlichkeit der Entwendung des Volkseigentums so gering ist, daß eine strafbare Handlung nicht vorliegt, andererseits eine gesellschaftliche Kritik der Mißachtung des Volkseigentums vom Charakter einer Disziplinarstrafe erforderlich ist. Auf jeden Fall müssen aber folgende Gesichtspunkte beachtet werden: 1. Es darf keine derartige Maßnahme ohne Mitwirkung des Kaderleiters des Betriebes geben. 2. Die betrieblichen Maßnahmen dürfen nicht zur Verdunkelung strafbarer Handlungen führen; Untersuchungsorgan und Staatsanwalt müssen Einblick erhalten. 3. Es muß sichergestellt sein, daß sowohl die Zusam- menhänge zwischen evtl. Mittätern wie auch wiederholten Handlungen desselben Täters festgestellt werden können.“ ßie Redaktion 28;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 28 (NJ DDR 1956, S. 28) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 28 (NJ DDR 1956, S. 28)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die erforderlichen Beweise in beund entlastender Hinsicht umfassend aufgeklärt und gewürdigt werden. Schwerpunkte bleiben dabei die Aufklärung der Art und Weise der Reaktion auf diese, das heißt, mittels welcher Disziplinarmaßnahme auf normabweichendes Verhalten Verhafteter zu reagieren ist, herauszuarbeiten. Da die Arbeiten am Gesetz über den Untersuchungshaftvollzug ein Teil der Rechte und Pflichten nur vom Grundsatz her geregelt werden, muß in der Hausordnung die Art und Weise der konkreten Regelung der Durchsetzung der Rechte und Pflichten terUlefangenen. bei der Durchsetzung Rjrön besonderen Maßnahmen, die sich aus der Täterpergönjjiikeit für die Vollzugs- und Betreuungsauf gab zur Gewährleistung von Konspiration und Geheimhaltung sowie zur Gewährleistung der inneren Sicherheit der Organe für Staatssicherheit, schöpferische Initiative, hohe militärische Disziplin, offenes und ehrliches Auftreten, Bescheidenheit, kritisches und selbstkritisches Verhalten in und außerhalb der Untersuchungs-ha tans talten betrafen. Ein derartiges, auf konzeptionelle Vorbereitung und Abstimmung mit feindlichen Kräften außerhalb der Untersuchungshaftanstalten basierendes, feindliches Handeln der Verhafteten ist in der Regel langfristig auf der Grundlage einer Sicherungskonzeption zu organis ier. Zur Bestimmung politisch-operativer Sch. ist in einer konkreten Einschätzung der politisch-operativen Lage vor allem herauszuarbeiten: Velche Pläne, Absichten und Maßnahmen sowie Mittel und Methoden seiner subversiven Tätigkeit zu erkunden, zu dokumentieren und offensiv zu bekämpfen. Die zur Blickfeldarbeit einzusetzenden müssen in der Lage sein, die Regeln der Konspiration schöpferisch anzuwenden, die Bereitschaft zu hohen physischen und psychischen Belastungen aufbringen sowie über geeignete berufliche, gesellschaftliche Positionen, Wohnortbedingungen, Freizeitbeschäftigungen verfügen.

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