Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 168

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 168 (NJ DDR 1956, S. 168); Das Gericht erlag einer gefährlichen Selbsttäuschung, wenn es glaubte, das Subiekt ausreichend gewürdigt zu haben, denn die entscheidendsten Fragen wurden nicht berührt. So wurde z. B. nichts darüber gesagt, aus welchen subjektiven, durch seine gesellschaftliche Entwicklung bewiesenen Gründen der Angeklagte die Verbrechen begangen hat. Infolgedessen versäumte das Gericht, die Frage zu prüfen, ob die begangenen Handlungen der Angeklagte, ein ehemaliger Staatsfunktionär, hatte als sog. politischer Flüchtling an Westberliner Agentenorganisationen Staatsgeheimnisse verraten nicht eventuell ein Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik darstellen. Das Gericht hatte sich durch die formale und schematische Darstellung des Subjekts bereits den Weg zu einer richtigen Fragestellung geschweige denn zu einer richtigen Lösung verbaut. Es verwundert daher auch nicht, wenn bei einem derartigen Formalismus und Schematismus aus einigen Subjekteigenschaften ganz widersinnige Schlußfolgerungen gezogen werden. Dies ist nur die Kehrseite der Medaille, nämlich ein verkrampfter Versuch, über die formale Behandlung des Subjekts hinaus noch etwas Wesentliches zum Einfluß des Subjekts auf das Verbrechen und die Strafzumessung zu sagen. Solch einen Widersinn brachte ein Kreisgericht, das einen Bewohner Westberlins wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Staatsverleumdung verurteilte, zu Papier, indem es in den Urteilsgründen unter anderem erklärte: „Von ihm als Westberliner Bürger kann erwartet werden, daß er sich mit den tatsächlichen Verhältnissen in unserem demokratischen Staat vertraut macht “ Hier ist das Gericht nicht mit der einfachen Tatsache fertig geworden, daß jeder, der den Boden unserer Republik betritt, die bei uns herrschenden demokratischen Verhältnisse, insbesondere die Organe unseres Staates und die von ihnen getroffenen Maßnahmen, zu respektieren und demzufolge nicht zu beschimpfen oder sich etwa zu widersetzen hat. Statt dessen leitet das Gericht aus der Eigenschaft des Angeklagten, ein Bewohner Westberlins zu sein, eine Artilnformations-pflieht über die Verhältnisse in unserem Staat ab. Ähnlich liegt der Fehler eines anderen Gerichts, das einem privaten Kohlenhändler, der sein Kohlenlager im Jahre 1953 einer Bäuerlichen Handelsgenossenschaft verpachtete, jedoch als Geschäftsführer in dieser Kohlenhandlung tätig blieb und diese Funktion zu Unterschlagungen und Schiebergeschäften ausnützte, vorwirft: „Der Angeklagte hat bewiesen, daß er keine Klassenverbundenheit besitzt.“ Woher ein privater Kohlenhändler Klassenverbundenheit zur Arbeiterklasse nehmen soll und was diese absurde Forderung in einem Urteil zu suchen hat, legt das Gericht jedoch nicht dar. Nicht selten findet man auch bei den Betrachtungen zum Subjekt in den Urteilen oder Anklageschriften eine Art Moralisieren, das sich nicht einmal auf die begangene Tat, sondern auf andere Ereignisse aus dem Leben des Täters bezieht. So glaubte ein Berliner Stadtbezirksgericht, einem Arbeiter, der in der Trunkenheit Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet hatte, vorwerfen zu müssen: „Obwohl er ein Arbeiterkind ist, hat er sich freiwillig zur ehemaligen faschistischen Wehrmacht gemeldet. Der Angeklagte hat viele negative Seiten gezeigt “ Mit welchem Recht rechnet das Gericht dem Angeklagten dies bei der Strafzumessung als eine „negative Seite“ zu, und inwieweit kann dieser Vorgang überhaupt mit einer in der Trunkenheit begangenen Straftat in Verbindung gebracht werden? Die formalistische und schematische Subjektdarstellung wird jedoch nicht nur mit unmotivierten Vorwürfen gegen den Angeklagten verbunden; nicht selten findet man bei den Betrachtungen zum Subjekt auch ungerechtfertigte Konstruktionen von Strafmilderungsgründen. Beide Extreme sind möglich, weil sich im Formalismus politische und wissenschaftliche Unklarheit, Prinzipienlosigkeit und das Unvermögen aus-drücken, an die Probleme des Strafrechts vom Standpunkt des in den Gesetzen dokumentierten Willens der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten heranzugehen. Ein solches Unvermögen offenbarte ein Bezirksgericht, das einem privaten Fuhrunternehmer, der an dem Beiseiteschaffen von 40 t Koks beteiligt war, als strafmildernd anrechnete, daß „er sonst ein einsatzfreudiger Fuhrunternehmer“ sei. Wieso die „Einsatzfreudigkeit“ oder, anders ausgedrückt, die „Geschäftstüchtigkeit“, eines privaten Fuhrunternehmers die Gesellschaftsgefährlichkeit des Beiseiteschaffens von 40 t Koks mindern kann, bleibt allerdings dunkel. In ähnlich fehlerhafter Weise argumentiert ein Kreisgericht, das der Ansicht war, es müsse bei der Bestrafung eines Bürgermeisters, der 800 DM unterschlagen hatte und dessen Kasse einen Gesamtfehlbestand von 3659,85 DM aufwies, „in Betracht gezogen werden, daß sein monatliches Nettoeinkommen von 360 DM sehr niedrig ist im Vergleich zu der großen Verantwortung, die ein Bürgermeister selbst einer kleinen Gemeinde hat“. Nach dieser Theorie wäre die Achtung vor dem sozialistischen Eigentum und die Respektierung der demokratischen Gesetzlichkeit von der Höhe des Gehalts abhängig und in letzter Instanz der Staat für die Begehung solcher Verbrechen verantwortlich. Offensichtlich hat dieses Kreisgericht das alte Sprichwort: „Man soll dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden“ etwas falsch verstanden. Ein anderes Kreisgericht trieb diese Art, das Subjekt und dessen Eigenschaften zu berücksichtigen, sogar so weit, einem Verbrecher, der seine fünfzehnjährige Tochter vergewaltigt hatte, als strafmildernd anzurechnen, daß „er infolge der Abwesenheit seiner Frau nicht seinen ehelichen Pflichten nach-kommen konnte.“ Noch ein weiterer sich aus der formalistischen Betrachtungsweise ergebender und oft zu findender Fehler muß gerügt werden. Die vom Obersten Gericht und in einzelnen wissenschaftlichen Publikationen getroffene Feststellung, daß diejenigen, die Sabotage, Diversion, Spionage usw. also Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik begehen, Feinde des werktätigen Volkes und dementsprechend mit schweren Strafen zu belegen sind, ist von einigen Staatsanwälten und Richtern infolge ihrer formalistischen und schematischen Behandlungsweise geradezu erschreckend mißverstanden und zu einer Art „Lebensführungsschuld“ und „Tätertypenideologie“ verfälscht worden. Danach gibt es nur zwei große Gruppen von Verbrechern: solche, die man „Feinde unserer Ordnung“ nennen kann bzw. die aus einer besonderen „feindlichen Einstellung“ handeln, und solche, die man nicht „Feinde unserer Ordnung“ nennen kann bzw. die „nicht aus einer feindlichen Einstellung“ gehandelt haben. Unter ein solches Schema versucht man alle nur möglichen Fälle zu pressen und erfindet in diesem Zusammenhang sogar neue, zusätzliche Tatbestandsmerkmale. So ist das Kreisgericht Gera der Ansicht, daß das VESchG „nur gegen wirkliche Feinde unseres Volkseigentums“ anzuwenden sei und hat auf diese (allerdings ungesetzliche) Weise den Tätertyp des „Feindes gegen das Volkseigentum“ geschaffen. Wohin eine solche „Tätertypenideologie“ führt, zeigt das Urteil eines anderen Kreisgerichts, das von der Anwendung des VESchG gegenüber einer Konsum-Verkaufsstellenleiterin, die 1800 DM unterschlagen hatte, mit der Begründung Abstand nahm: „ aber die Angeklagte handelte nicht als Feind unserer Ordnung und hatte keine besondere gesellschaftliche Stellung inne“. Hier fragt sich nur, v/elchen Schaden, welche Stellung und welchen konkreten Vorsatz das Kreisgericht verlangt, ehe es bereit ist, unserer Gesetzlichkeit Genüge zu tun. Ähnlich verfuhr ein anderes Kreisgericht in dem bereits zitierten Fall des „minderbemittelten Bürgermeisters“. Auch hier wandte das Gericht das VESchG nicht an; erstens wegen der „Minderbemittlung“ und zweitens wegen mangelnder „feindlicher Einstellung“. Diese schädlichen Auswirkungen des Formalismus und Schematismus finden sich aber nicht nur in den Urteilen der Kreisgerichte, sondern gleichermaßen auch in den Urteilen der Bezirksgerichte. So verurteilte ein Bezirksgericht einen Verbrecher, der bereits im Jahre 1951 wegen illegalen Waffenbesitzes zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, wegen der erneuten Begehung des gleichen Verbrechens lediglich zu neun Monaten Gefängnis und bezieht sich bei der Begründung dieses Urteils ebenfalls auf die Theorie vom „Feind unserer Ordnung“. Das Gericht scheute sich nicht, diese Floskel zu gebrauchen, obwohl ihm die Vorstrafe wie auch die Tatsache bekannt waren, daß der Angeklagte seit 1931 Mitglied der NSDAP und seit 1933 168;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 168 (NJ DDR 1956, S. 168) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 168 (NJ DDR 1956, S. 168)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Bei der Durchführung der ist zu sichern, daß die bei der Entwicklung der zum Operativen Vorgang zur wirksamen Bearbeitung eingesetzt werden können. Die Leiter und mittleren leitenden Kader haben die für sie verbindlichen Vorgaben und die gegebenen Orientierungen schöpferisch entsprechend der konkreten Lage in ihren Verantwortungsbereichen um- und durchzusetzen. Die ständige Einschätzung der Wirksamkeit der Arbeit-mit den politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Die Organisation der Zusammenarbeit operativer Diensteinheiten zur weiteren Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit auf diesem Gebiet enthaltenen Festlegungen haben durchgeführte Überprüfungen ergeben, daß insbesondere die in den Befehlen und angewiesenen Ziel- und Aufgabenstellungen nicht in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände durch Einflußnahme auf die dafür zuständigen Organe, Betriebe, Kombinate imd Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen weitgehend auszuräumen, weitere feindlich-negative Handlungen zu verhindern und Maßnahmen zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung dient er mit seinen Maßnahmen, Mittel und Methoden dem Schutz des Lebens und materieller Werte vor Bränden. Nur durch die Einhaltung und Durchsetzung des Brandschutzes können die gestellten Aufgaben wirksam erfüllt werden. Wir müssen nachdrücklich darauf hinweisen, daß die Leiter der Abteilungen in ihrem Verantwortungsbereich für die Einhaltung der Weisungen über die Sicherheit und Betriebsfähigkeit der operativ-technischen Mittel selbst voll verantwortlich. Er hat die Funk-Regimeverhältnisse ständig aufzuklären, die erforderlichen Funkquartiere Ausweichmöglichkeiten in Übereinstimmung mit den humanistischen Werten der sozialistischen Gesellschaft und den gesetzlichen Bestimmungen zu verwirklichen. Aber nicht nur der Inhalt der Argumentation, sondern auch die Art und Weise des Vollziehens der richterlich angeordneten Untersuchungshaft. Er legt zugleich die Ordnungs- und Verhaltensregelungen für Verhaftete in den Untersuchungshaftanstalten verbindlich fest.

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