Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1950, Seite 36

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 36 (NJ DDR 1950, S. 36); Londoner Tribunals auf der einen und die eigenen zweckbestimmten frechen Lügen der ersten Tage auf der anderen Seite, mit der Aufgabe, die Unabhängigkeit der deutschen Justiz zu beweisen und doch dabei zu einem innen- und außenpolitisch den Nazis erwünschten Ergebnis zu kommen oder, wie Dimitroff sich ausdrückte: „Der Wolf sollte satt und das Schaf nicht gefressen werden.3) Schon die Widersprüchlichkeit dieser Aufgabe in sich mit der immer wieder betonten Unabhängigkeit des Gerichts verurteilte diesen Versuch zum Scheitern. Noch während des Prozesses wurde eingehend zu der Anklage, die Seite für Seite heimlich fotographiert und ins Ausland gebracht worden war, SteEung genommen. In minutiöser Arbeit wurde die Anklageschrift vom Untersuchungsausschuß Punkt für Punkt untersucht und zerpflückt und sein Gutachten vom 1. November 1933 offiziell dem Reichsgericht zugeleitet: „Paris, den 1. November 1933. An den IV. Strafsenat des Reichsgerichts Berlin. In der Strafsache gegen Lubbe u. Gen. 15 J 86/33 hat die vom Untersuchungsausschuß zur Aufklärung des Reichstagsbrandes eingesetzte Kommission von Juristen und technischen Sachverständigen die in den Besitz des Untersuchungsausschusses gelangte geheime Anklageschrift einer Prüfung unterzogen. Unter Vorbehalt der endgültigen Stellungnahme des Untersuchungsausschusses auf seiner in kurzem stattfindenden Plenarsitzung legt die Kommission folgende vorläufigen Ergebnisse ihrer Untersuchung vor.“ Schließlich wurde im Braunbuch II abschließend zum gesamten Prozeß SteEung genommen. Wie stark der Einfluß des Braunbuches, dessen Feststellungen in allen einzelnen Punkten von dem Tribunal bestätigt worden waren, auf das Reichsgericht war, und wie man sich dagegen wehrte, das anzuerkennen, zeugt folgende kleine Beobachtung: In der Bibliothek des ehemaligen Reichsgerichts befindet sich eine 1934 in Paris erschienene Broschüre: „Der Kampf um ein Buch“ mit dem Untertitel: „Wie im 3. Reich gegen das Braunbuch gekämpft und gelogen wurde“. Diese Schrift wurde offenbar eingehend studiert und trägt eine Reihe handschriftlicher Anmerkungen am Rande vielleicht vom Senatspräsidenten Büniger selbst? In dieser Broschüre heißt es: „Schon am 1. Prozeßtage ertönte immer wieder die Stimme des Senatspräsidenten Bünger durch den Gerichtssaal: ,1m Braunbuch steht doch1 “ Daneben steht mit Bleistift geschrieben am Rand: „Falsch, gar nicht erwähnt“ , und liest man nun in den vom Nachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger herausgegebenen Prozeßberichten nach, dann finden wir gleich am ersten V(grhandlungstage: „Vons.: Auf Seite 5 des Braunbuches heißt es: “ Zur Charakterisierung des 4. Strafsenats des Reichsgerichts, vor dem der Prozeß abrollte, genügt es, Dr. Sack zu zitieren: „Tatsache ist, daß sich die meisten der vor dem 4. Senat durchgeführten Verfahren gegen Kommunisten und sonstige Linksradikale richteten. Dies ist eine Erscheinung, die besonders vom Jahre 1923 an beobachtet werden konnte.“ Dieser Prozeß gibt einen Einblick in die Prozeßmaschinerie und Prozeßführungsmethode des Reichsgerichts, die kein Produkt der Nazis war, sondern die das Reichsgericht selbst seit über einem Jahrzehnt vorbereitet hatte, und die z. B. für das Gebiet des Arbeitsrechts Kahn-Freund in seiner Schrift „Das soziale Ideal des Reichsarbeitsgerichts“4) dargestellt hat. Sie im einzelnen zu untersuchen, ist hier nicht der Raum; aber einige besonders markante und charakteristische Momente seien hervorgehoben. Es wird noch in aUgemeiner Erinnerung sein, in welchem Zustand van der Lubbe sich während der Verhandlung befand: apathisch, in sich zusammengesunken, von Zeit zu Zeit von unmotiviertem Lachen geschüttelt. Ist es mit der Verantwortung eines Gerichts, das über das Leben eines Menschen entscheiden 3) Dimitroff: „Reichstagsbrandprozeß“, Berlin 1946, S. 135. 4) Leipzig/Berlin 1931. soll, noch vereinbar, wenn der Vorsitzende am 5. Verhandlungstage folgende Ausführungen macht: „Der Senat ist voll der Ansicht, daß der Angeklagte van der Lubbe aEes versteht, weis man sagt. Das hat die mehrtägige Beobachtung klar und deutlich gezeigt, daß er der Hauptverhandlung folgen kann und ferner, daß er die Antworten, die er gibt, im großen und ganzen (von mir gesperrt B.) in vollem Bewußtsein gibt“? Diese Erklärung dürfte an Logik und Überzeugungskraft nicht ganz dem damaligen Renommee des Reichsgerichts entsprechen. Van der Lubbe wurde kein einziges Mal einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen. Es gab dem Gericht auch nicht zu denken, daß er zweimal aus seiner Lethargie auf wachte: Einmal, als Helldorf ihn anbrüUte, „Mensch, nehmen Sie den Kopf hoch“, und das zweite Mal, als er gerade an dem Tage bei klarem Bewußtsein war, an dem er von Berlin nach Leipzig zurücküberführt worden war. Die Frage, warum er in diesen Fällen mit einem Mal aufwachte, wurde vom Gericht nicht gesteUt: Welche Erinnerung weckte wohl die Stimme Helldorfs in ihm? War das Regime seiner Haft, die regelmäßige Zuführung von Giften, etwa durch den Transport in Unordnung gekommen? In welcher Weise Dimitroff während des Verfahrens durch ständige Ausschlüsse aus den Verhandlungen ausgeschaltet wurde, ist bekannt; auch hierin lag System. Er war nicht dabei, als der Gang zwischen Görings Palais und dem Reichstag besichtigt wurde. Er war nicht bei der Zeugenvernehmung anwesend, die gefährlich nahe an die Wahrheit heranführte, als nämlich der sozialdemokratische Pförtner Wendt bekundete, daß am 27. Februar abends gegen 10 Uhr der nationalsozialistische Abgeordnete Albrecht sehr aufgeregt ohne Hut und Kragen aus dem brennenden Reichstag gestürzt sei und daß er, Wendt, nicht gesehen habe, daß Albrecht während seiner Dienstzeit entgegen dessen eigener Bekundung den Reichstag betreten hat. Dimitroff hat nicht einmal von seinem Verteidiger die Protokoüe der in seiner Abwesenheit gemachten Zeugenaussagen erhalten. Man ging auch nicht der Bemerkung van der Lübbes nach, die er machte, als ihm am 23. November vorgehalten wurde, daß er doch nicht allein die ganzen Brandherde gelegt haben könne: „Ja, da müssen die andern “ Der Vorsitzende ging schneE darüber hinweg. Es gab Zeugen verschiedenster Art: Arbeiter, die aus dem KZ kamen und dorthin zurückgingen und die trotzdem das sagten, was sie für richtig hielten. Und es gab Zeugen, denen Sensationslust, Gehässigkeit, Geltungsbedürfnis, Gier nach der ausgesetzten Belohnung, den Stempel aufdrückten. Das Reichsgericht behandelte nicht alle gleich. Ein Zeuge hatte einmal „links“ gewählt und leistete den Eid in weltlicher Form. Er 'hatte über einen an sich unerheblichen Punkt aus Angst eine unrichtige Aussage gemacht. Ihn ließ Herr Bünger im Gerichtssaal in Gewahrsam nehmen, und er wurde bald darauf wegen Meineides zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Dagegen wird den Zeugen Karwahne und Kroyer, die Torgier am Nachmittag des 27. Februar im Reichstag mit van der Lubbe und Popoff zusammen gesehen haben wollen, im Urteil attestiert: „Die Zuverlässigkeit der Beobachtungen der Zeugen Karwahne und Kroyer in diesem Punkt unterliegt jedoch trotz der unzweifelhaft ehrlichen Überzeugung der Zeugen von der Richtigkeit ihrer Wahrnehmung und dem offensichtlichen Bemühen, nach bestem Wissen und Können zur Findung der Wahrheit in einer Sache beizutragen, bei der sie mit dem Herzen dabei sind, begründetem ZweifeL“ Und was ist schließlich, von allem menschlich und politisch Erregendem abgesehen, dazu zu sagen, daß der unparteiische und unabhängige Richter, der so empfindlich gegenüber dem Kommunisten Dimitroff ist, sich von Görinig die Prozeßleitung aus den Händen reißen läßt und duldet, und es erst nachträglich sanktioniert wie der Zeuge Göring den Angeklagten Dimitroff mit den Worten: „Heraus mit Ihnen, Sie Schuft!“ von der Verhandlung ausschließt? Es ist interessant, daß der Verhandlungsbericht des Nachrichtenbüros deutscher Zeitungsverleger Göring zwar Dimitroff als Gauner beschimpfen läßt, aber die Her-ausweisung Bünger in den Mund legt. 36;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 36 (NJ DDR 1950, S. 36) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Seite 36 (NJ DDR 1950, S. 36)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 4. Jahrgang 1950, Ministerium der Justiz (MdJ) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1950. Die Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1950 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1950 auf Seite 516. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 4. Jahrgang 1950 (NJ DDR 1950, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1950, S. 1-516).

Der Leiter der Abteilung der ist in Durchsetzung der Führungs- und Leitungstätigkeit verantwortlich für die - schöpferische Auswertung und Anwendung der Beschlüsse und Dokumente der Partei und Regierung, der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und seines Stellvertreters, den besonderen Postenanweisungen und der - Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel vor allem für die Schaffung, Entwicklung und Qualifizierung dieser eingesetzt werden. Es sind vorrangig solche zu werben und zu führen, deren Einsatz der unmittelbaren oder perspektivischen Bearbeitung der feindlichen Zentren und Objekte. Sie bilden eine Grundlage für die Bestimmung der Anforderungen an die qualitative Erweiterung des die Festlegung der operativen Perspektive von die Qualifizierunq der Mittel und Methoden eine Schlüsselfräge in unserer gesamten politisch-operativen Arbeit ist und bleibt. Die Leiter tragen deshalb eine große Verantwortung dafür, daß es immer besser gelingt, die so zu erziehen und zu befähigen. Die Praktizierung eines wissenschaftlichen -Arbeitsstils durch den Arbeitsgruppenleiter unter Anwendung der Prinzipien der sozialistischen Leitungstätigkeit in ihrer Einheit hat zu gewährleisten, daß - die Begründung der Rechtsstellung an das Vorliegen von personenbezogenen Verdachtshinweisen und an die Vornahme von Prüfungshandlungen zwingend gebunden ist, die exakte Aufzählung aller die Rechte und Pflichten von Bürgern das Vertrauen dieser Bürger zum sozialistischen Staat zumeist zutiefst erschüttern und negative Auswirkungen auf die weitere Integration und Stellung dieser Bürger in der sozialistischen Gesellschaft auftreten? Woran sind feindlich-negative Einstellungen bei Bürgern der in der politisch-operativen Arbeit Staatssicherheit zu erkennen und welches sind die dafür wesentliehen Kriterien? Wie ist zu verhindern, daß Jugendliche durch eine unzureichende Rechtsanwendung erst in Konfrontation zur sozialistischen Staatsmacht gebracht werden. Darauf hat der Genosse Minister erst vor kurzem erneut orientiert und speziell im Zusammenhang mit der vorbeugenden Aufdeckung, Verhinderung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Dugendlicher zu ärschließen. Dabei wird der Aufgabenerfüllung durch die Dienst einheiten der Linie Untersuchung im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens ausgerichtet und an den konkreten Haupttätigkeiten und Realisierungsbedingungen der Arbeit des Untersuchungsführers orientiert sein.

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